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Viele Touristen – wenig Schiffe

Ein Haushaltsloch feiert Geburtstag: Fünf Jahre Main-Donau-Kanal. Trotz geringer Auslastung sollen noch mal 1,2 Milliarden versenkt werden  ■ Aus Augsburg Ellen Teske

Der Unterschied zwischen den Hamburgern und den Nürnbergern besteht darin, daß die einen „Schiff ahoi“ sagen und die anderen „Hoi, a Schiff“ rufen. So höhnte der Kabarettist Dieter Hildebrandt in seiner legendären Scheibenwischer- Sendung Mitte der achtziger Jahre über den Main-Donau-Kanal. Er und andere Querulanten sollten recht behalten. Fünf Milliarden Mark kostete das Prestigeobjekt „Main-Donau-Kanal“ zwischen Bamberg und Kelheim quer durch den Fränkischen Jura.

Heute – fünf Jahre nach seiner feierlichen Eröffnung – ist der Kanal ein ökonomisches Desaster. 20 Millionen Tonnen Fracht pro Jahr wurden Anfang der siebziger Jahre prognostiziert. Heute durchqueren gerade 3,8 Millionen Tonnen den gesamten Kanal. Für ein Großteil der von Norden kommenden Waren ist bereits in Nürnberg, 20 Kilometer hinter Bamberg, die Reise zu Ende. Der Kanal ist aber 171 Kilometer lang.

Schuld an der geringen Nutzung, so die Wasser- und Schiffahrtsdirektion Süd in Würzburg, seien die wirtschaftliche Stagnation, die stark nachlassende Baukonjunktur, der Krieg in Ex-Jugoslawien und die strengen Eiswinter. Von einer gigantischen Fehlinvestition ist nicht die Rede.

Doch die Einwohner im versilberten Altmühltal stehen zu ihrem Kanal. Denn schließlich haben sie von seinem Bau profitiert. Wo früher das mittelalterliche Riedenburg an der idyllisch plätschernden Altmühl vor sich hinträumte, entstand eine protzige Uferpromenade. Der versprochene wirtschaftliche Aufschwung ließ nicht auf sich warten. Nur kam er in anderer Form als vorausgesagt.

Nicht Containerschiffe und Schulverbände tuckern auf der Bundeswasserstraße zum Industriestandort Kelheim, sondern einheimische Ausflugsdampfer oder noble holländische oder schweizerische Hotelschiffe. Die Personenschiffahrt macht über die Hälfte des Schiffsverkehrs aus.

Wen juckt es da, daß die Gemeinde Untermotzing alljährlich von einer Zuckmückenplage heimgesucht wird? Als Betroffener von Folgeschäden sollte man Mitglied der CSU sein, damit der Verursacher ein Einsehen hat. So geschehen in Dietfurt. Die CSU-regierte Kommune konnte früher ihre vorgeklärten Abwässer in die Altmühl leiten. Heute geht das nicht mehr. Der vor sich hindümpelnde Kanal verträgt diese Belastung nicht. Eine Umrüstung der Kläranlage ist nötig. Nun finanziert die Rhein- Main-Donau AG die Aufrüstung der Kläranlage mit.

So weit, so gut – könnte man meinen. Doch der Kanal zwischen Bamberg und Kelheim ist nur Teilstück einer gigantischen Wasserstraße. Für die freie Schiffahrt von Rotterdam bis zum Donau-Delta fehlen noch 70 Kilometer. Und die liegen in Niederbayern zwischen Straubing und Vilshofen.

Hafenbetreiber, Handels- und Verkehrsdienstleistende, Binnenschiffer sowie verantwortliche Politiker wie Bayerns Verkehrs- und Wirtschaftsminister Otto Wiesheu sprechen hier von einem Nadelöhr. Damit die europäische Wasserstraße rentabel werde – und auch der schon fertiggestellte Kanal –, müsse das letzte freifließende Stück der Donau für die Binnenschiffahrt tauglich gemacht werden.

Investitionen von rund 1,2 Milliarden Mark wären dafür notwenig. Milliarden, die Bund und Land im Moment nicht haben. So einigten sich die bayerische Staatsregierung und die Bundesregierung vor einem Jahr, den Donau-Ausbau mit Staustufen auf Eis zu legen. Vorläufig – bis zum Jahr 2000.

Umweltschützer protestieren seit langem gegen die geplante Naturzerstörung. Sie sind nicht gegen den Ausbau der Donau, sondern gegen die maßlos überzogenen Ausbaudimensionen. Denn auch durch flußbauliche Maßnahmen mit Buhnen und Ausbaggern der Fahrrinne, so meint der Bund Naturschutz in Bayern, könne das Ausbauziel – uneingeschränkte Schiffahrt – erreicht werden. Gleichzeitig könnten die rund 45.000 Hektar großen Auengebiete entlang der Donau erhalten bleiben.

Rechnet man die ökonomische Leistung der Gebiete für die Holz- und Futterproduktion oder für die Erholung zusammen, so haben diese Auen einen Wert von 44 Millionen Mark. Ulrich Petschow vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung in Berlin hat im Auftrag des bayerischen Bund Naturschutz den Donau-Ausbau bewertet. Petschow kommt zu dem Schluß, ein Ausbau zwischen Straubing und Vilshofen sei aus wirtschaftlicher Sicht überhaupt nicht nötig.

Auch wenn die restlichen 70 Kilometer ausgebaut würden, könne man dadurch den Gütertransport auf den 3.500 Kilometer langen Bundeswasserstraßen nicht wesentlich erhöhen. Denn der Transport per Schiff dauert achtmal so lange wie der mit der Bahn. Kommt der Ausbau dennoch wider alle Vernunft, dann werden auch die Straubinger und Passauer erstaunt ausrufen: „Hoi, a Schiff!“

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