piwik no script img

Rostiger Schicksalshahn

■ Das „Spotlight: Asien“auf dem Filmfest mit Debuts und Arrivierten

Ein Wetterhahn, der je nach Wind- und Schicksalsrichtung rostig singend ausschwingt. Über eine graue Dächerlandschaft fällt der Blick rätselhaft auf Tokyo. Und auf Two Punks der Japanerin Shinji Aoyama, einen Film über die doppelbödig-bizarre Beziehung zweier kleiner Gangster.

Yoichi und Michio sind aufeinander angewiesen. Was nicht bloß daran liegt, daß sie für denselben Boß arbeiten. Das flaue Unbehagen dem Job gegenüber, Yoichis jugendliche Unruhe und Michios ausgewachsenes Magengeschwür – nur im Clinch mit dem Gegenüber läßt sich die eigene, gespaltene Identität ein Stück vorwärtstragen. Der eine gibt vor, was der andere nicht selbst entscheiden muß. Analytisch und dramatisch zugleich, läßt der Film die gewohnten Zuschreibungen des Genres radikal ins Leere laufen.

Two Punks läuft beim Filmfest im Schwerpunktprogramm „Spotlight: Asien“. Die Auswahl der zehn Filme, die sich gern der Jury von Cannes (wie im Fall von Suzako, dem fulminanten Regiedebüt der 27jährigen Japanerin Naomi Kaweses) und Berlin (The Kitchen von Yim Ho) anschließt, folgt keiner experimentellen Fragestellung oder Perspektive. Neben den herausgestellten Regiedebuts werden genauso Arbeiten Arrivierter gezeigt: Mit Chinese Box zum Beispiel läuft „der neue Wayne Wang“(Blue in the face, Smoke) nach Venedig jetzt in Hamburg.

Doch Jugend schützt vor Senilität nicht: One more time, one more chance etwa, der zweite Film von Shinohara Tetsuo, führt als Produktion des „Sapporo Image Seminars“vor, daß Sentimentalität und Konvention kein Vorrecht des Alters sind. Mit süßlich verwehtem Atem kommt die Geschichte vom vereinsamten Popstar daher, als sei das Märchen von der selbstlosen Prinzessin wahr.

Dagegen erzählt Lin Cheng-shengs Murmur of Youth – und das macht ihn zu einem der schönsten Filme unter dem Schlaglicht – ungleich komplexer und melancholischer. Intensiv, dunkel und mit beeindruckender Ruhe verfolgt er die Wege seiner suchenden Figuren. Mei-li heißt die eine, Mei-li die andere. Eine Stunde dauert es, bis die beiden Teenager vom jeweils anderen Ende der Stadt sich begegnen und ihre Liebesgeschichte beginnt. Im abgedunkelten Kassenhäuschen eines Kinos. Was an sich bereits eine Liebeserklärung ist – an den Film. Elisabeth Wagner

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen