: Nichts geht gegen den Willen der Deutschen Bank
■ Kritiker sehen den Finanzgiganten als „Spinne im Netz der Deutschland AG“
„Wir haben Macht“, gestand die Deutsche Bank einst in ihrem Geschäftsbericht 1986 ein: Macht „wie Parteien, Medien, Unternehmen und Verbände, Gewerkschaften, Kirchen, Schulen und Universitäten“. Seitdem wachsen die Zweifel, ob Europas größter Finanzgigant tatsächlich nur über eine Allerweltsmacht verfügt.
Kritiker sehen die Großbank als „die Spinne im Netz der Deutschland AG“, Bankboß Rolf-E. Breuer regiere schließlich über ein Bilanzimperium von 996 Milliarden Mark! Zum Äpfel-Birnen-Vergleich: Der Bundeshaushalt von Kanzler Kohl erreicht in diesem Jahr gerade mal 459 Milliarden Mark. Zudem finanziert die Deutsche Bank ein Viertel des deutschen Außenhandels und streicht 25 Prozent aller Bankprovisionen ein. „Wir sind nicht die Spinne im Netz“, beteuert hingegen ein Sprecher der Deutschen Bank. Im Gegenteil, der Vorstand plane den Abbau seiner Konzernbeteiligungen.
Kern der Macht sind die Industriebeziehungen. Auf den Hauptversammlungen von Bayer, Siemens oder Mannesmann treten die Kreditinstitute mit über 90 Prozent aller Stimmen auf. Diese stammen aus den Depotstimmen von Privatkunden und Firmen und aus den eigenen Investmentfonds, aber nur zum geringsten Teil aus den Bankbeteiligungen. Allein die Deutsche Bank verfügt so bei deutschen Konzernen durchschnittlich über ein gutes Viertel der Stimmen und damit über die aktienrechtliche Sperrminorität. Nichts geht gegen ihren Willen.
Wie im richtigen Leben bestimmt der Stimmanteil über die Zusammensetzung von „Parlament und Regierung“, hier Aufsichtsrat und Vorstand. Knoten in diesem menschlichen Geflecht sind Industriemanager, die zugleich einem Organ der Deutschen Bank angehören. Zusammen mit den Mandaten der Bankiers selbst verspinnt die Großbank nahezu 4.000 Verflechtungen. Da präsidiert nicht nur ein Deutsch-Banker dem Daimler-Aufsichtsrat, da sitzt auch der Europapräsident von General Motors im Aufsichtsrat des Geldgiganten und der VW-Vorsitzende Ferdinand Piäch im sogenannten Beraterkreis. Lediglich Dresdner Bank, Westdeutsche Landesbank und die Allianz können hierbei ansatzweise mithalten.
Aber es sind nicht nur Karrieren, die geschmiedet werden, sondern auch Konzerne. Denn gut ein Dutzend „global players“ wie etwa die Deutsche Bank unterlegen ihre moderne betriebliche Dezentralisierung – also die Auslagerung aller scheinbar unwichtigen Konzernteile – weltweit mit einer kapitalmäßigen Konzentration: Thyssen/Krupp oder Hapag-Lloyd/ Preussag, Holzmann/Hochtief oder auch BayernHypo/Vereinsbank – überall entschied die Deutsche Bank als Anteilseigner und Spinne im personellen Netz mit oder war die maßgebliche Kraft.
Basis der Bankenmacht ist das deutsche Universalbank-System. Anders als US- oder japanische Institute darf die Deutsche Bank nicht nur billige Spargelder einnehmen und teure Kredite verkaufen, sondern auch Aktien handeln oder Vermögen verwalten. In den 80er Jahren wuchs daraus ein Allfinanz-Gigant: Baufinanzierungen, Unternehmensberatung und Investmentfonds kamen hinzu – und Versicherungen. Neben der befreundeten Allianz wuchs der DB- Konzern zur größten Assekuranzgruppe im Lande heran (Gerling, Deutscher Herold, Nürnberger). Nebenbei hält sie zehn Prozent an der Allianz.
Die Allianz wiederum – ihr Vorstandsboß Schulte-Noelle gehörte bis zum April noch dem Aufsichtsrat der Deutschen Bank an – verfügt über maßgebliche Bankanteile. „Getrennt marschieren, vereint schlagen“ könnte das Motto einer heimlichen Frankfurt/Münchener Allianz lauten. Mit Kapitalanlagen von 344 Milliarden Mark ist die Allianz ähnlich finanzkräftig wie die Großbank. Allerdings wird ihre Machtentfaltung gebremst durch die rigiden Anlagebestimmungen im Versicherungsgewerbe, und ihr fehlen die Depotstimmen. Diese wiederum sichern dem Deutsche-Bank-Vorstand seine Selbstkontrolle: Auch auf ihrer eigenen Hauptversammlung vertritt die Großbank den gewaltigen Stimmanteil!
Der schärfere Wettbewerb auf den Finanzmärkten konnte der Deutschen Bank betriebswirtschaftlich nichts anhaben, und volkswirtschaftlich steht sie stärker da als je zuvor. „Ihr Herrschaftsbereich wird sich in den nächsten Jahren weiter ausdehnen“, sagt DB- Beobachter Fred Schmid vom Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung (ISW) in München. Entsprechend ehrgeizig sind die Pläne der Deutschen Bank. Zur Jahrhundertwende will sie auf jeden Hunderter aus ihrem Eigenkapital 25 Mark Gewinn einfahren – Jahr für Jahr. Hermannus Pfeiffer
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