: Am Ende scheiterte es am Auto
Wie aus einer drei Jahre alten Idee dann doch keine Steuerreform wurde. Am Ende ging es nur noch um die Erhöhung der Mineralölsteuer. Chronik eines Scheiterns ■ Aus Bonn Markus Franz
Schon am 7. April dieses Jahres, als der dritte Steuergipfel zwischen Koalition und SPD scheiterte, schien klar, was erst gestern Gewißheit geworden ist. Eine Steuerreform wird es vor den Bundestagswahlen im September 1998 nicht geben. Und das, obwohl sich beide Seiten in einem Maße angenähert haben, wie es vor Monaten nicht für möglich gehalten worden wäre.
Schon im November 1994 hatte eine Kommission unter Vorsitz des Steuerprofessors Peter Bareis eine radikale Vereinfachung des Steuerrechts vorgeschlagen. Unter dem Druck der hohen Arbeitslosigkeit holte die Koalition erst im Juli 1996 das Papier wieder hervor. Im Januar 1997 präsentierte sie ihr Konzept, das eine Nettoentlastung der Bürger um 30 Milliarden Mark vorsah. Der Eingangssteuersatz sollte von 25,9 auf 15 Prozent, der Spitzensteuersatz von 53 auf 35 Prozent sinken. Im Gegenzug sollten Schichtzuschläge, Renten, Lohnersatzleistungen, Lebensversicherungen besteuert werden.
Die SPD kritisierte die soziale Unausgewogenheit des Konzepts und rechnete aus, daß Schichtarbeiter unter Umständen mit Einkommenseinbußen zu rechnen hätten. Zudem hielt sie die Nettoentlastung für unfinanzierbar. Die Gipfelgespräche begannen.
Am 7. März brach die SPD die Gespräche mit Hinweis auf die Proteste von Bergleuten gegen eine Senkung der Kohlesubventionen ab. Kommentatoren aller Medien vermuteten, die SPD habe kein Interesse an einer Steuerreform, weil ein etwaiger Erfolg der Koalition bei der Bundestagswahl zugute kommen würde. Am 26. Mai legte die SPD ein eigenes Steuerkonzept vor, das einen Schwerpunkt auf die finanzielle Entlastung von Familien und Arbeitnehmern legte. Das Papier hält einen Selbstfinanzierungseffekt der Steuerreform in Höhe von 7,5 Milliarden Mark für möglich.
Mitte Juni ging die Koalition erstmals auf Kompromißkurs. Die Besteuerung der Schichtzuschläge sollte bis zum Jahr 2003 gestreckt, die hälftige Besteuerung der Lohnersatzleistungen fallengelassen werden. Zudem sollten Steuervergünstigungen der Wirtschaft fallen, wie die Steuerfreiheit der Rückstellungen von AKW-Betreibern. Am 26. Juni verabschiedete der Bundestag die Steuergesetze mit der Mehrheit der Koalition. Der SPD-dominierte Bundesrat lehnte das Paket am 4. Juli ab. Im Vermittlungsverfahren am 30. Juli scheiterte ein Kompromiß.
Vor dem zweiten Vermittlungsverfahren, das gestern früh zu Ende gegangen ist, gab es plötzlich wieder Hoffnung auf eine Einigung. Die Koalition verzichtete auf die Nettoentlastung sowie auf eine drastische Senkung des Spitzensteuersatzes. Die SPD erklärte, einen Spitzensteuersatz um die 50 Prozent könne sie sich vorstellen. Zudem versicherten beide Seiten, die Lohnnebenkosten um zwei Prozentpunkte senken zu wollen. Einig war man sich auch darin, Steuerschlupflöcher in Höhe von 29 Milliarden Mark zu schließen.
Die SPD erklärte aber zur Bedingung, die Koalition müsse auf die Senkung des Solidaritätszuschlages verzichten, weil die Gegenfinanzierung nicht gesichert sei. Zudem verlangte sie ein neues schriftlich ausgearbeitetes Tarifkonzept. Die Koalition parierte nicht.
Um wenigstens die Lohnnebenkosten zu senken, wie ursprünglich die SPD gefordert hatte, machte CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble den „persönlichen“ Vorschlag, der SPD mit der Erhöhung der Mineralölsteuern entgegenzukommen. Doch die Koalition, vor allem CSU und FDP, lehnten dies rundweg ab.
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