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Die Wettbewerbshüter in Berlin sehen orange

■ Der Pauschalreisemarkt wird von zwei Blöcken beherrscht. Staatliche Konzerne sind daran massiv beteiligt. Deutsches und europäisches Kartellamt prüfen die Gefahr eines Oligopols

Berlin (taz) – Die Leute vom Bundeskartellamt haben starke Bedenken, wenn sie den Pauschalreisemarkt beobachten. Der Konzentrationsprozeß der Branche nimmt rapide zu. Zwei Unternehmensgruppen teilen sich nach Angaben des Deutschen Reisebüroverbands inzwischen 65 Prozent des Marktes. Sie organisieren Massenreisen, besitzen Charterflugzeuge und verhökern die Trips. Und die Zusammenarbeit soll noch enger werden.

Die im Fachjargon als „roter Block“ bezeichnete umsatzstärkste Gruppe besteht aus TUI, LTU und Hapag-Lloyd. Der Name geht auf die Hauptfarbe der Firmenlogos zurück. Hauptanteilseigner und Strippenzieher ist die West LB, die zu über 43 Prozent dem Land Nordrhein-Westfalen gehört. Sie besitzt schon heute 30 Prozent der TUI-Anteile und ist zu 22 Prozent an der LTU beteiligt. Jetzt will sich die Bank über ihre Halbtochter Preussag auch noch beim dritten im Bunde, der Hapag Lloyd einkaufen – und die ist wiederum mit 30 Prozent an TUI beteiligt. „Wenn das so durchgeht, wird TUI quasi ein Tochterunternehmen der West LB“, so Elke Zeise vom Bundeskartellamt. Die staatliche Bank besäße direkt oder indirekt 60 Prozent von TUI. Zusammen mit ihren Reisebürobeteiligungen wäre die West LB der größte Reiseveranstalter der Republik. Zur Zeit läßt die Preussag den Deal in Brüssel von den EU- Wettbewerbshütern überprüfen.

Das Bundeskartellamt beschäftigt sich unterdessen mit dem „gelben Block“, der aus Neckermanns NUR und der Lufthansa-Tochter Condor besteht. Die beiden wollen ebenfalls verschmelzen. Die Wettbewerbshüter in Berlin haben 50 Konkurrenten angeschrieben, um herauszufinden, ob in einzelnen Sektoren ein Oligopol droht. Denn zu allem Überfluß sind der rote und der gelbe Block auch noch untereinander verwoben, so daß ein oranger Koloß zu entstehen droht: Zum einen besitzen die staatseigene Bahn AG und ihr Tochterunternehmen DER ein Fünftel von TUI. Zum anderen gehört der Lufthansa ein Drittel von DER. Und die Bahn will möglicherweise demnächst noch weitere Anteile von TUI erwerben.

„Über die Hälfte des touristischen Veranstaltermarktes kann in nächster Zeit in staatliche Hand geraten“, moniert die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Halo Saibold, die den Ausschuß für Tourismus leitet. Sie verweist dabei sowohl auf die Rolle der Bahn AG als auch der West LB. Das Nachsehen hätten kleine und mittelständische Veranstalter sowie die Verbraucher.

Doch mit höheren Preisen ist kaum zu rechnen. Denn einige kleinere Reiseveranstalter nutzen inzwischen die Möglichkeit, bei ausländischen Fluggesellschaften Maschinen zu bestellen. Seit der EU-Luftverkehr liberalisiert ist, dürfen auch ausländische Jets deutsche Urlauber ein- und ausfliegen. So transportiert die größte Charterlinie der Welt, die englische Britannia, inzwischen die Kundschaft des Münchner Reiseveranstalters Frosch Touristik zu Dumpingpreisen nach Übersee. Das Nachsehen beim harten Wettbewerb hat somit nicht die Reisende, sondern die Umwelt. Annette Jensen

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