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Duldung nur als Belohnung für die Ausreisewilligen

■ Berlins Bürgermeister Diepgen will Vietnamesen leichter abschieben können

Berlin (taz) – Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hat nach dem Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts über Duldungen für ausreisepflichtige Ausländer eine Änderung des Ausländergesetzes gefordert. „Es kann nicht angehen, daß wir Ausländer hierbehalten und teuer versorgen müssen, nur weil ihre eigenen Staaten sie nicht haben wollen“, erklärte ein Sprecher der Senatskanzlei. Diepgen kündigte eine Bundesratsinitiative an. Der Paragraph 55 des Ausländergesetzes solle so geändert werden, daß derjenige keine Duldung bekommt, der nicht bereit sei, freiwillig so schnell wie möglich auszureisen.

Damit soll der rechtswidrig in Berlin, Thüringen und Bayern seit Jahren praktizierte Umgang mit ausreisepflichtigen Ausländern zur bundeseinheitlichen Norm werden. In diesen Ländern werden ausreisepflichtigen Ausländern die Pässe abgenommen; sie erhalten statt dessen eine im Ausländergesetz nicht vorgesehene „Grenzübertrittsbescheinigung“, mit der sie beim Verlassen des Landes ihren Paß wieder einlösen. Die Menschen werden damit ihrer Rechte beraubt. Sie können jederzeit ein Strafverfahren wegen illegalen Aufenthalts bekommen. Berlins Innenstaatssekretär Kuno Böse (CDU) erklärte kürzlich sogar gegenüber dem Petitionsausschuß, ausreisepflichtige Kinder ohne Duldung könnten die Rechte des Kindes, zu denen sich Deutschland völkerrechtlich verpflichtet hat, nicht beanspruchen.

Mit einer Duldung, so erklärt der Berliner Rechtsanwalt Dieter Kierzynowski, der das Urteil durchgefochten hat, erhalten die Menschen „keinen Pfennig mehr Sozialhilfe“ als bisher. Thüringens parteiloser Ausländerbeauftragter Eckehard Peters weist darauf hin, daß viele Betroffene gar nicht freiwillig ausreisen könnten. Das Rückübernahmeabkommen mit Vietnam beispielsweise war 1995 nicht nur notwendig, weil Abschiebungen nach Vietnam nicht möglich waren. Auch freiwillige Rückkehrer scheiterten und scheitern bis heute am fehlenden Aufnahmewillen des Herkunftslandes.

Denn Asylbewerber haben nach vietnamesischem Verständnis die Heimat illegal verlassen und damit ein Rückkehrrecht verwirkt. Und ehemalige Vertragsarbeiter werden vor der Rückkehr von der Berliner Außenstelle des vietnamesischen Arbeitsministeriums kräftig zur Kasse gebeten. Innenstaatssekretär Kurt Schelter hatte im Juni gesagt, er wolle gegenüber Vietnam durchsetzen, daß die freiwillige Rückkehr leichter möglich würde. Doch bisher habe sich Vietnam dazu nicht geäußert. Marina Mai

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