: Sippenhaft für Unerwünschte
■ Eberhard Diepgen will das Ausländergesetz verschärfen
Es ist verrückt und gleichzeitig bezeichnend für den heruntergekommenen Stand der ausländerpolitischen Debatte: Da freuen wir uns über ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, weil es das Ausländergesetz verteidigt. Ausgerechnet das Ausländergesetz, dieses reaktionäre Machwerk. Wer „aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht abgeschoben werden kann“, dem sei eine Duldung zu erteilen, so steht es im Ausländergesetz. Und genau so urteilten auch die Obersten Verwaltungsrichter am Donnerstag letzter Woche im Falle dreier verurteilter vietnamesischer Zigarettenhändler.
Damit hat das Bundesverwaltungsgericht den repressiven Paragraphen, der die Duldung von ausreisepflichtigen AusländerInnen regelt, gegenüber noch repressiveren Rechtsauslegern im Berliner Oberverwaltungsgericht verteidigt. Jenes Gericht hatte den Vietnamesen den Status der Duldung verweigert, weil sie doch „freiwillig ausreisen“ könnten. Formal können sie das – doch in der Praxis unternimmt die vietnamesische Regierung alles, um die ungeliebten Rückkehrer davon abzuhalten. Ähnlich ist es bei den PalästinenserInnen und KurdInnen aus dem Libanon: Sie bekommen von ihren Botschaften einfach gar keine Pässe ausgestellt. Auch die bosnischen Kriegsflüchtlinge aus serbisch besetzten Gebieten können zwar „freiwillig ausreisen“ – aber wohin sollen sie dann weiterreisen?
Diese Bevölkerungsgruppen werden also von dem Urteil profitieren. Doch kaum ist es gesprochen, soll das Ausländergesetz in diesem Punkt auch schon wieder geändert werden. Berlins Bürgermeister Diepgen will im Bundesrat eine Gesetzesänderung einbringen, damit „derjenige keine Duldung erhält, der nicht bereit ist, freiwillig so schnell wie möglich in sein Heimatland zurückzukehren“. Ähnliches hatte bereits Barbara John, die Ausländerbeauftragte des Berliner Senats, in der taz gefordert: Wer freiwillig ausreisen könne, dürfe keine Duldung mehr erhalten.
In einem Punkt hat sie recht. Es ist unmoralisch und völkerrechtswidrig, wenn ein Land die Aufnahme seiner StaatsbürgerInnen verweigert. Aber den Betroffenen dann mit dem Verweis auf die papierne Möglichkeit der „freiwilligen Ausreise“ den Status der Duldung zu entziehen, heißt, sie in Sippenhaft für die Sauereien der Regierung in ihren Heimatländern zu nehmen. Ute Scheub
Bericht Seite 6
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