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Viel Fieses, hell ausgeleuchtet

■ Rainer Kaufmann verfilmte Ingrid Nolls Roman „Die Apothekerin“. Doch wer dabei wen umbringt, bleibt am Ende ziemlich gleichgültig

Am Anfang viel Sepiagetöntes. Schräges Licht, Prädikat wertvoll. Die Kamera gleitet über braune Apothekerflaschen, bleibt schließlich an einem Totenkopfetikett hängen. Aha: Gift. Hella Moormann (Katja Riemann als die Apothekerin) läßt eine spermahafte Flüssigkeit vom Porzellanstößel tropfen und guckt vieldeutig. Noch mal aha: Männer. Kombiniere, kombiniere: Eigentlich schon nicht mehr nötig, daß mittels Rückblende eine Kindheitsgeschichte nachgeliefert wird, in der die kleine Hella in frühkindlicher Prägung einen Mitschüler mittels Türklinke zur Strecke bringt.

Zur deutschen Komödie fehlt jetzt eigentlich nur noch Jürgen Vogel. Er spielt Levin, einen ziemlich durchgeknallten, ewig pubertierenden Zahntechniker mit Vorliebe für lockeres Leben, lockere Sprüche, schnelles Geld und schnelle Autos. „Ich würde so gerne Ihre Haare im Wind wehen sehen“, sagt er zu Hella während der ersten Begegnung beim Gebrauchtwagenhändler und spielt sich gleich so nervtötend auf, daß man die Frau sehen möchte, die auf diesen Hampelmann reinfällt. Und schon antwortet Katja Riemanns Stimme aus dem Off: „Es war wie ein Sog. Ich war zu allem bereit.“ Whow! Welche Leidenschaft! So geht es weiter seinen abgezirkelten, unvermeidlichen Komödiengang, in dem man noch manchen mild humorigen Spruch zu hören bekommt. Als Hella ihrer Freundin Dorit (Dagmar Manzel) von ihrem neuen Zahnarztfreund erzählt, sagt die auch prompt: „Und? Hat er schon gebohrt?“

Hella bekennt, sie wolle nur „ein Haus, einen Mann, ein Kind – die Reihenfolge war mir egal“. In der Romanvorlage von Ingrid Noll plauderte sie noch brav: „Ich wollte kein uneheliches Kind, sondern eine richtige Familie.“ In einer deutschen Komödie aber, das ist klar, muß es ein bißchen verruchter zugehen – auch wenn die Ziele bescheiden bleiben. Das ist bei Katja Riemann, die ihre harmlos biedere Neuköllnhaftigkeit wohl niemals los wird, schwer genug. Levin dagegen ist von Anfang an so überzeichnet skrupellos, daß man diese Figur sowieso nie ernsthaft glaubt. Er denkt angestrengt darüber nach, wie er seinen Großvater aus dem Weg räumen könnte, der in einer prächtigen, Begehrlichkeit weckenden Villa wohnt und sich bester Gesundheit erfreut. Wie Levin, um diesem Zustand ein rasches Ende zu machen, seine Fertigkeiten als Zahntechniker nutzt, das hat dann allerdings doch handwerkliche Klasse.

Nach dem Ableben des Großvaters muß Levin feststellen, daß der sein Testament geändert hat: Hella ist als Alleinerbin eingesetzt, vorausgesetzt, die beiden heiraten. Das wäre kein allzu großes Problem, wenn da nicht auch noch Margot (Isabella Parkinson), die ausgeflippte Hausangestellte, im Weg stünde und deren Ehemann Dieter (Richy Müller), frisch entlassener Häftling und alter Freund Levins. Mit zernarbtem Knacki- gesicht und einer Stimme wie Frankenstein tritt er auf, um Levin erst mal richtig durchzuprügeln. Das hat unseren Applaus verdient, war aber nicht böse gemeint: Männerfreundschaft geht durch die Fäuste. Und wie man aus anderen mittelmäßigen Filmen weiß, haben gerade die fiesen Rohlinge ein warmes Herz im Leib. Liebe sucht auch Pawel (August Zirner), ein nervöser, schlecht rasierter alleinerziehender Vater und treuer Apothekenkunde. Er ist so langweilig, wie es das Klischee verlangt: nur die Fiesen sind von Interesse. Am Ende brennt dann die Villa sehr pitoresk ab, und alle, die irgendwie störten, sind endlich tot.

Regisseur Rainer Kaufmann („Stadtgespräch“) glaubt, mit seinem ersten großen Kinofilm eine „schwarze, abgründige Komödie“ gedreht zu haben. Das ist einigermaßen übertrieben. Für eine Komödie ist der Film nicht witzig genug. Und das Dunkle, Finstere wird so penetrant hell ausgeleuchtet, daß es niemanden erschüttern kann. Statt Abgrund viel Oberfläche, statt Geheimnis viel Voraussehbares. Wer am Ende wen umbringt, ist in dieser Versammlung unsympathischer, uninteressanter Menschen eigentlich ziemlich egal. Und daß man, um seine kleinbürgerlichen Träume zu verwirklichen, ein gesundes Maß an krimineller Energie oder ersatzweise naive Blindheit benötigt, das hat man auch so geahnt. Jörg Magenau

„Die Apothekerin“. Regie: Rainer Kaufmann. Mit Katja Riemann, Jürgen Vogel, Richie Müller; BRD 1997, 108 Minuten

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