piwik no script img

Verhör „aus Personalmangel“ vertagt

Die Entführer des Millionärs Jakub Fiszman stehen vor Gericht. Sohn Sven Körppen beschuldigt seinen Vater des Mordes. Das Opfer wurde brutal erschlagen. Verteidiger rügen schlampige Ermittlungen  ■ Aus Frankfurt Heide Platen

Vater und Sohn sahen sich nicht an. Fast choreographisch drehten die beiden Männer einander am Donnerstag in der Anklagebank vor der 14. Strafkammer des Frankfurter Landgerichts die Rücken zu. Zu Beginn des Mordprozesses kündigte der Verteidiger des 27jährigen Sven Körppen „ein Familiendrama“ an, die tragische Geschichte eines vom Vater brutal unterdrückten Sohnes. Der Anklageverlesung folgte dann der 49jährige Rainer Körppen aufmerksam und lässig zurückgelehnt, der Sohn mit gesenktem Kopf.

Beide sind angeklagt, am 1. Oktober 1996 den Frankfurter Jakub Fiszman gemeinsam entführt und vier Millionen Lösegeld erpreßt zu haben. Sie versteckten den 40jährigen Millionär zuerst hinter einer doppelten Garagenwand im eigenen Haus in Langen. Wer Fiszman drei Tage später brutal mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen und in einem Waldstück in der Nähe von Wiesbaden notdürftig verscharrt hat, darüber schweigt Rainer Körppen. Sven Körppen beschuldigt den Vater der Tat. Sie seien zwar gemeinsam im Auto mit Fiszman im Kofferraum in den Wald gefahren. Er habe dann aber gewartet und angenommen, Rainer Körppen bringe Fiszman in einem neuen Versteck unter.

Sven Körppen ist nun lediglich der Beihilfe zu diesem Mord angeklagt und gleichzeitig Kronzeuge der Staatsanwaltschaft. Das wollen ihm, so war schon am ersten Verhandlungstag klar, die Verteidiger seines Vaters nicht durchgehen lassen. Sie meldeten Zweifel an den mehrfach modifizierten Geständnissen des jungen Mannes an.

Beide Verteidigerriegen schrieben damit eine harte Gangart gegeneinander fest, monierten im Vorfeld aber gemeinsam zahlreiche Fahndungs- und Ermittlungspannen der Frankfurter Polizei und des hessischen Landeskriminalamtes. So war bei der größten bundesdeutschen Suchaktion tagelang versäumt worden, Hinweisen von Nachbarn Fiszmans nachzugehen, die schon vor dem Entführungsabend verdächtige Fahrzeuge beobachtet und eine Polizeistreife vor einer möglichen Entführung gewarnt hatten. Auch das Auto des Unternehmers, in dem Kampfspuren, seine abgerissene Armbanduhr und Blut zurückgeblieben waren, wurde von bereits kurz nach der Entführung alarmierten Polizisten nicht untersucht und später nur dilettantisch gesichert.

Die Mitarbeiterliste von Fiszmans Frankfurter Firma sei ebenfalls nicht überprüft worden. Auf der stand auch der Name der Ehefrau von Rainer Körppen, einer langjährigen Angestellten von Fiszman. Ihr Ehemann aber war der Polizei längst als zweimal wegen Totschlags verurteilter Gewalttäter bekannt. Er hatte sowohl seine erste Ehefrau als auch einen Drogendealer umgebracht und war auch bereits bei einem anderen, ungeklärten Entführungsfall in Verdacht geraten. In Frankfurt wird nun auch ein zweiter Entführungsfall mitverhandelt.

1991 war in Köln der sechsjährige Neffe von Jakob Fiszman entführt und gegen ein Lösegeld wieder freigelassen worden. Ein damals tatbeteiligter Pole soll inzwischen in seiner Heimat inhaftiert worden und aussagebereit sein. Inzwischen wird in den Gerichtsgängen darüber spekuliert, ob er auch diesmal Rainer Körppens Komplize war.

Körppens Verteidiger Hans- Wolfgang Euler und Gerhard Knöss beantragten noch vor der Anklageverlesung eine Unterbrechung des Verfahrens. Sie verlangten die Einsicht in Vernehmungsprotokolle eines Mitgefangenen, der behauptet hatte, Rainer Körppen habe ihm die Tat gestanden. Dem konnte die Staatsanwaltschaft nicht nachkommen, denn das Landeskriminalamt habe die Vernehmung „aus Personalmangel“ noch nicht beenden können. Vorsitzender Richter Kurt Elliesen lehnte den Antrag zwar ab, gab den Staatsanwälten aber sichtlich ungehalten auf, die fehlenden Akten bis spätestens Mittwoch nachzureichen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen