piwik no script img

■ Völlig mißraten: Die TV-Reklame der BundeswehrOffener Kanal Hardthöhe

Geradezu beispielhaft ist die neue „Mon Cherie“-Fernsehwerbung. Im edlen Freiluft-Ambiente schwänzelt und schleimt prominentes Personal um- und aneinander herum und preist in nicht verheimlichter Hohlheit die gezuckerten Kirschenschokomatsche-Kügelchen an. Vorneweg die wie immer allzeitige Brunstbereitschaft simulierende Iris Berben und in ihrem populär-erotischen Kondensstreifen wie die Fliegen hinterm Kuhschweif ein juveniler Surfbrett-Seriendarsteller und allerlei sonstige schlecht sprachsynchronisierte TV-VIP-Wursteln.

Da perlt Champagner am Kelchrand und reibt Robe an Smoking-Schulter, da flutet Sonne durch Berbenbusen und prallt zarter Windhauch am knallharten Widerstand des Ninarugefrisurbretts ab. Selbstverständlich sagt die gemietete Bagage dann noch artig auf, daß in ihrer geschmackvollen, teuren Welt der beworbene Pampf eine unverzichtbare Zutat sei und fertig und abputzen! Gut so! Alles ist unecht, falsch und verlogen, und niemand gibt sich die geringste Mühe, das zu verbergen. Hier wird kein Zuschauer für dumm verkauft. Hier wird man noch verarscht, wenn man dabei ist, und jeder kriegt es es mit. So sieht ehrliche Werbung aus!

Im Gegensatz dazu die aktuellen TV-Spots der Bundeswehr, die in unerträglicher Penetranz Realität heucheln. Zwar zeigen sich Kameramann und Cutter durchaus auf der Höhe der Zeit und bescheißen den Betrachter mit halbwegs brauchbaren Oliver-Stone-Miniaturen. Dynamische Sequenzen von technisch aufwendigen Pioniereinsätzen mit modernstem Totmachmaterial, rasant montiert aus Helikopterkameraeinstellungen, Steady-Cam-Passagen und effektvollen Kameraschwenks. Auch die Soundabteilung tut, was sie tun muß, macht professionelle Geräusche und mischt das echte Leben so gut es geht ungehört ins Off.

So weit, so gut. Die Bilder erzählen: „Der Job bei der Bundeswehr ist ein verdammt aufregender Thrill. Hier arbeitet man mit topaktueller Technik, die nur von den Besten der Besten beherrscht werden kann. Hier werden Männer gebraucht, die in jeder Situation die richtigen Entscheidungen treffen, die verflucht noch mal wissen, was sie verdammt noch mal tun, und die tun, was sie tun müssen, und die nicht danach fragen, was morgen ist, denn morgen können sie schon verflucht noch mal tot sein wie tote Hundescheiße, wenn sie heute nicht verdammt aufpassen und die verflucht falsche Entscheidung treffen.“ Zur logischen Abrundung fehlen jetzt eigentlich nur noch die naßrasierten Top-Gun- Visagen, die leidenschaftslos diesen Text ausspucken und anschließend alle einzugsfähigen Jung- Deutschen zum Mitmachen bei der großartigsten aller Truppen auffordern. Ein deutscher Tom Cruise etwa, wenn es so etwas gäbe. Okay, gibt's nicht. Dann also eben Til Schweiger in einer weiteren Rolle seines Lebens oder meinetwegen sogar der Surfbrett-Heini aus dem Mon-Cherie-Spot.

Aber genau an diesem falschen Ende hat die Volker-Rühe-Produktion gespart. Nicht kameraerprobte Schauspielerdarsteller dürfen uns den Schwachsinn vorlallen, den wir hören wollen, wenn wir War-Movies anschauen. Nein, erschreckend echte Soldaten in Tarnkostümierung stottern mühsam auswendig gelernte Quälphrasen auf die glänzenden Bilder. Nicht eine einzige Silbe vom aufregenden Leben des abgebrühten Schießgesellen angesichts phantastisch tödlicher Bedrohungen. Nichts von heldenhafter Pflichterfüllung im Kreise gleichgesinnter Primaten, die anpacken, was anzupacken ist, und wenn es das Letzte ist, was sie anpacken.

Statt dessen, wie schon in den unfreiwilligen BW-Reklameparodien der späten 80er, wieder nur diese grauenhaft realen 18,5jährigen Blödmänner vom Offenen Kanal Hardthöhe, die von Aufgabenerfüllung, Völkerverständigung in einem vereinten Europa und artverwandten Unsinn quaddeln müssen, denen man aber auf Raketenreichweite anmerkt, daß sie vielleicht das Talent zum Flaschenöffnen, Tamagotchi-Füttern und Panzerfahren mitbringen, aber auf gar keinen Fall die darstellerischen Voraussetzungen für gute Werbung.

Und wenn schon Realismus, dann bitte im Doku-Stil. Dann aber gefälligst auch verwackelte Home-Video-Takes von Vergewaltigungsübungen in der Kasernenturnhalle oder schlechtbeleuchtete Camcoder-Shots vom Deutschen-Gruß-Training beim Morgenappell. Wenn aber Lügen- Fiktion, dann bitte konsequent bis zum letzten Schuß. Alles andere beleidigt die Intelligenz des verwöhnten Mon-Cherie-Liebhabers. Fritz Eckenga

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen