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■ Nach den Wahlen sind in Serbien Überraschungen möglichMilošević' Machtbasis bröckelt

Eigentlich war alles ja ganz hübsch ausgedacht. Slobodan Milošević, der ehemalige Präsident Serbiens, durfte in diesem Jahr nach zwei Amtsperioden gemäß der Verfassung nicht mehr kandidieren. Deshalb ließ er sich vom jugoslawischen Parlament zum Präsidenten Jugoslawiens küren, ein bisher bedeutungsloser Job. Zoran Lilić, der bisherige Präsident Jugoslawiens und Gefolgsmann Milosevićs, sollte dagegen serbischer Präsident werden. Die Macht wollte Milošević beim Ämtertausch mitnehmen. Jetzt ist der schöne Plan durcheinandergekommen, weil der farblose Lilić wahrscheinlich weniger Stimmen als der rechtsradikale Tschetnikführer Vojislav Seselj bekommen hat. Milošević kann nun nur noch hoffen, daß die 50 Prozent Wahlbeteiligung nicht erreicht wird und die Wahl deshalb ungültig bleibt. Schwierigkeiten hat er aber nicht nur in Serbien. Die Teilrepublik Montenegro droht sich seinem Einfluß zu entziehen, weil der Milošević-Kritiker und montenegrinische Nationalist Milo Djukanović gute Chancen hat, sich gegen den Milošević-Freund Momir Bulatović in einer Stichwahl durchzusetzen.

Natürlich ist es vom demokratischen Standpunkt aus bedauerlich, daß sich nach dem Scheitern von „Zajedno“ das demokratische Serbien in den Wahlen gar nicht widerspiegelt. Und daß der Rechtsextremist und Tschetnikführer Vojislav Seselj zum Herausforderer Miloševićs herangewachsen ist. Da Seselj nicht nur in Serbien, sondern auch in der bosnischen Serbenrepublik zur zweitstärksten Kraft geworden ist, wird seine Politik, die großserbische, ja faschistische Option, noch für manche Konflikte sorgen. Auf der anderen Seite zwingt das Bröckeln der eigenen Macht Milošević dazu, Koalitionen einzugehen.

Die rot-braune Kriegskoalition mit Seselj während der Jahre 1992 bis 1994 ist zerfallen. Eine Neuauflage ist angesichts der Interessen, Restjugoslawien irgendwie wieder an Europa und die Weltwirtschaft anzuschließen, nicht wahrscheinlich. Zwar war Vuk Drasković bereit, seinen Zajedno-Gegenspieler Zoran Djindjić zusammen mit Milošević und Selsj als Bürgermeister Belgrads zu stürzen, weiterreichende Perspektiven besitzt der bärtige Serbe jedoch nicht. Außer der etwas abwegigen Idee, die Monarchie wieder einzuführen. Das riskante Spiel Djindjićs, die Wahlen zu boykottieren und das eigene politische Aus zu riskieren, könnte dagegen erfolgreicher sein. Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Sozialisten um Milošević die Kröte der Demokratisierung schlucken, wenn damit das Bild Serbiens im Ausland aufpoliert würde. Eine Koalition Djindjić-Milošević würde die Finanzquellen des Auslandes erschließen. Und Milošević wäre nicht er selbst, würde er nicht alle Möglichkeiten durchkalkulieren. Erich Rathfelder

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