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Und wieder kein Elber

Alljährlich stürzen sich die Sammler von Fußballbildern auf die neuen Alben. Die lukrative Geschäftsidee der Gebrüder Panini  ■ Von Egon Boesten

Gespannt beobachte ich, wie mein achtjähriger Sohn seine Fußballtüten aufmacht, aber schon wieder ist der Spieler mit dem roten Brustring nicht der heißersehnte Giovane Elber, sondern Frank Verlaat. „Den habe ich schon dreimal“, grummelt Henk. Ein Ritual, das so oder ähnlich nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern Europas beim Öffnen der 70-Pfennig-Tüte mit den fünf Hochglanz-Abziehbildern abläuft.

Daß bestimmte Fußballer in den Sammeltüten künstlich rargemacht werden, andere wiederum häufiger vertreten sind, diese Mär schicken die Produzenten beim Hersteller Panini im italienischen Modena allerdings ins Reich der Legenden. Alle Köpfe der Fußballbundesliga sind in gleicher Stückzahl auf die bunten Verpackungen verteilt. Vor dem Eintüten werden beim größten Sammelbilder-Produzenten der Welt die mit den Spielerporträts bedruckten Bögen in kleinere Einheiten, sogenannte Quadrotten geschnitten. Der erste Mischvorgang soll einerseits vermeiden, daß in einer Tüte das gleiche Bild zweimal vertreten ist, andererseits sicherstellen, daß in einem 100 oder 150 Tüten zählenden Karton für den Einzelhandel alle Fußballer auch wirklich einmal vertreten sind.

250 Mitarbeiter sind in der Panini-Fabrik damit beschäftigt, die Bilder für die verschiedenen Märkte herzustellen. Nicht nur Fußball, sondern auch Pop-, Film- und Disney-Motive, andere Sportarten sowie didaktische Serien – das sind die Sparten, in denen die Redaktionen von Panini Informationen und Bildmaterial sammeln, sichten und auswerten. Fotoarchive und die entsprechenden Datenbanken werden ständig aktualisiert, so daß sie innerhalb kürzester Zeit abrufbar sind. Ganz selten kommt es vor, daß ein Fußballer – wie in den Niederlanden vor knapp zehn Jahren geschehen – dreimal hintereinander mit dem falschen Vornamen ins Sammelalbum gebracht wird. Damals hieß Marco van Basten bei Panini Mark van Basten.

Die Fußball-Sammelalben erscheinen inzwischen in Italien, Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Frankreich, Portugal, Spanien und Südamerika. Allein die Fußball-WM 1990 brachte Panini in den Niederlanden das Rekordergebnis von 25 Millionen verkauften Tüten. Wer allerdings glaubt, Bildersammeln sei nur eine Sache von Kindern, täuscht sich gewaltig. Ein Drittel der Nachbestellungen zur Komplettierung von Sammlungen komme von Erwachsenen, sagt Frank Zomerdijk, Panini-Vertreter für die Niederlande, Österreich und Deutschland in Nettetal-Kaltenkirchen. Sicheres Indiz: „Erwachsene füllen auf dem Bestellschein ihr Alter nicht aus.“

Die Gebrüder Giuseppe, Benito und Gino Panini gründeten ihr Unternehmen 1961 in Modena. Heute besteht die Panini-Gruppe aus einer Holding, die bis 1988 zum Maxwell-Konzern gehörte, jetzt Teil des US-Komikgiganten Marvel ist. Die WM in Frankreich 1998 wird der nächste weltweite Panini- Knüller, wenn die Alben gleichzeitig im gleichen Outfit in allen 32 Teilnehmerländern erscheinen.

Irgendwann im vergangenen Jahr hat mein Sohn übrigens entnervt aufgegeben. Auch die letzten 2,10 Mark seines Taschengeldes, die für drei Panini-Tüten geopfert wurden, brachten nicht den erhofften Giovane Elber und andere seltene Spielerporträts aus der Bundesliga. Blieb nur noch die Bestellung der fehlenden Bilder beim Verlag.

Seit einigen Tagen ist das neue Album zur Saison 1997/98 auf dem Markt. Giovane Elber mit rotem Brustring ist nun allerdings überhaupt nicht mehr zu kriegen.

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