Kein ganz einfaches Stickmuster

■ Das französische House-Duo Daft Punk benutzt mit Punk und Disco zwei gegensätzliche Stile der 70er Jahre als Referenz

In diesem Sommer machen zwei Franzosen den mit Musikboxen ausgestatteten Autofahrern ein großes Geschenk. Ob Alpha Romeo oder VW-Käfer, ob Landstraße oder Autobahn – Hauptsache Fenster auf und Daft Punk rein in die mobilen Kassettenrecorder, die jedem Sonntagsausflügler das Leben versüßen.

Der Titel ihres Anfang des Jahres erschienenen Debüts Homework wurde in goldener Handarbeit auf das Cover appliziert. Ein Foto im Innencover, das mit geklauten Requisiten des französischen Pubertätsklassikers La Boum vollgestopft ist, gibt Aufschluß über sein Innenleben. Denn beim Anblick eines Kiss-Plakats, alter verschmierter Schulhefte, eines halb verdeckten Playboys, eines tragbaren Plattenspielers und Cover von Disco-Größen wie Chic und Barry Manilow werden beim heimlichen Betrachter Jungsfantasien aus den Siebzigern wieder-belebt.

Dennoch bleibt Homework nicht bei diesen einfachen Stickmustern. Denn die beiden Pariser Thomas Bangalter und Guy Manuel de Homem Christo benutzen mit Punk und Disco zwei gegensätzliche Musikstile der Siebziger gleichermaßen als Referenz. Wie gehen aber so widersprüchliche Klänge und Ideen zusammen? Klar ist, daß Saturday-Night-Fever-Star John Travolta außer dem Namen wenig mit Johnny Rottens gemein hatte. Dennoch gab es, etwa laut Richard Dyer, im Jahr 1976 eine sanfte Umarmung von Punk und Disco, die mehr gemeinsam hatten, als es den Anschein hat. Beide etablierten eine neue Vorstellung von Freizeit, indem sie diese gegenüber der Arbeit aufwerteten. Die Schnittmenge war vielleicht Blondie, mit der sich auch ein Vergleich zu der Herangehensweise von Daft Punk anbietet.

Durch das Hinzufügen von House, Techno und fiesen Vocoderstimmen radikalisieren Daft Punk gefällige Klänge ebenso cool wie kompromißlos, bis Tanzmusik von damals Tanzmusik von heute wird. So sind Disco und Punk nicht nur Orte oder Bewegungen, sondern Haltungen, denen Daft Punk wieder etwas Blut zuführen. Trotz aller Ausflügler.

Claude Jansen

Do, 9. 10. , Große Freiheit, 21 Uhr