: Deutsche-Bahn-Chef mit erheblichen Wissenslücken
■ Johannes Ludewig präsentiert dem Verkehrsausschuß Erfolge. Mißwirtschaft kennt er nicht
Berlin (taz) – Besonders zufrieden mit sich dürfte der neue Vorsitzende der Deutschen Bahn AG, Johannes Ludewig, gestern nicht gewesen sein. Allzu viele Wissenslücken mußte er vor den Mitgliedern des Bundestagsverkehrsausschusses einräumen.
In Rage redete sich Ludewig, der im Juli die Nachfolge von Heinz Dürr angetreten hatte, als er auf den Bericht des Bundesrechnungshofs zur Finanzierung des Schienenwegeausbaus angesprochen wurde (taz vom 6.10.). Ihm sei der Bericht nicht zugeleitet worden, also könne er auch nicht Stellung dazu nehmen. Doch räumte er ein, daß die Bahn AG knapp eine Milliarde Mark zuviel gezahlter Mittel ans Eisenbahnbundesamt zurücküberweisen muß. Der Bundesrechnungshof war zu dem Ergebnis gekommen, daß die Bahn ihre Investitionsvorhaben meist ohne Wirtschaftlichkeitsberechnungen beantragt hatte; Verwendungsnachweise über die vom Bund zugewiesenen Mittel würden häufig verspätet vorgelegt.
In seiner vorbereiteten Rede vor dem Verkehrsausschuß sparte Ludewig dieses leidige Thema aus. Statt dessen trumpfte er mit Zuwächsen auf: drei Prozent Umsatzplus beim Nahverkehr der Bahn; 3,1 Prozent beim Fernverkehr und gar 3,3 beim Güterverkehr.
Auf Nachfrage gestand er gegenüber den Abgeordneten ein, daß der Bau der umstrittenen ICE- Neubaustrecke durch den Thüringer Wald nochmals überprüft werden müsse. Er werde seine unternehmerische Verantwortung wahrnehmen, so Ludewig. Damit dürfte zumindest feststehen, daß das Projekt nicht sang- und klanglos bewilligt wird. Der Haushaltsausschuß soll in diesen Tagen das Gros der Mittel für die ICE-Trasse bewilligen. 90,5 Prozent des 4,4 Milliarden teuren Neubauabschnitts Erfurt–Ebensfeld soll der Bund als nicht rückzahlbaren Zuschuß übernehmen.
Dramatische Unkenntnis demonstrierte der Bahn-Chef beim Thema Transrapid: Er denke nicht daran, für die Nutzung der Strecke Berlin–Hamburg ein Trassenentgelt zu zahlen, erklärte Ludewig. Tatsächlich hatte das Bundesverkehrsministerium erst kürzlich festgelegt, daß der künftige Transrapid-Betreiber für die Nutzung des Fahrweges ein Trassenentgelt zu zahlen habe. Betreiber aber wird die Bahn AG – das hatte Heinz Dürr seinem Nachfolger noch kurz vor dem Amtswechsel eingebrockt. Gudrun Giese
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