: Erst wird diskutiert, dann wird abgenickt
■ Auch beim kommenden CDU-Parteitag braucht der Kanzler Rebellen nicht zu fürchten
Bonn (taz) – „Montag ist der Kanzlertag“, erklärte Peter Hintze, als er Programm und Leitanträge des bevorstehenden CDU- Parteitages gestern in Bonn der Presse vorstellte. Der Satz des Generalsekretärs weist die Richtung: Auch dieser Parteitag vom 12. bis zum 15. Oktober in Leipzig wird genau nach der Regie von Helmut Kohl ablaufen. Die Weichen dafür wurden in monatelanger Vorarbeit sorgfältig gestellt.
Zum Auftakt am Montag ein paar Formalien – dann ergreift der Kanzler in seiner Eigenschaft als CDU-Vorsitzender das Wort. Rebellen in den eigenen Reihen braucht er nicht zu fürchten. Weder Vorstandswahlen noch eine förmliche Nominierung Kohls zum Kanzlerkandidaten stehen auf der Tagesordnung. Er rechne auch nicht mit einer Diskussion über Kohls neuerliche Kandidatur, sagte Hintze: „Helmut Kohl ist die entscheidende Trumpfkarte in diesem Wahlkampf. Das weiß die Partei.“ Da die CDU ja sehr viele Mitglieder habe, könne es aber natürlich in dieser wie in jeder anderen Frage einige wenige geben, die abweichender Meinung seien.
Die gibt es tatsächlich. In der jüngsten Ausgabe der Zeit geben der CDU-Abgeordnete Peter Altmaier und der Vorsitzende der Jungen Union, Klaus Escher, zu Protokoll, daß sie sich Anfang des Jahres einen Wechsel von Kohl zum CDU-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Schäuble gewünscht hätten. Escher sieht in der Angst vor der eigenen Courage den Grund dafür, daß es nicht zum Kandidatenwechsel gekommen ist. Der saarländische CDU-Vorsitzende Peter Müller sagt in dem Interview: „Die Union wird nach außen nicht mehr als eigenständige Partei wahrgenommen, die um Zukunftskonzepte streitet.“ Es gebe in der Partei zu viele, die nicht sagten, was sie wirklich dächten.
Daran dürfte sich auch in Leipzig nichts ändern. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf ist einer der wenigen, die kein Blatt vor den Mund nehmen. Den Leitantrag des Bundesvorstands mit dem Titel „Projekt Zukunftschancen“ ist von ihm schon vor Wochen harsch kritisiert worden. Er sei in den Formulierungen schwammig, in der Substanz dürftig, und die Partei sei nicht ausreichend in die Diskussion einbezogen worden. Biedenkopf verschickte von ihm handschriftlich verbesserte Exemplare des Antrags an jedes Mitglied des Vorstands.
„Ich finde den Vorgang nicht besonders glücklich und auch nicht besonders konstruktiv“, sagte dazu gestern Peter Hintze kühl. Biedenkopf hätte sich ja an dem Entwurf beteiligen können. Auch sei es noch bis Freitag möglich, Änderungsanträge einzubringen. Gerüchte, denen zufolge dieser Antrag ebenso wie der zweite Leitantrag zur Inneren Sicherheit bis in Details hinein vom Kanzleramt erarbeitet worden seien, wies der Generalsekretär zurück. Die Anträge seien das Ergebnis der Arbeit unabhängiger Kommissionen unter seiner Leitung.
Eine Bilanz nach sieben Jahren deutscher Einheit, die Europapolitik, die Bildungspolitik, Innere Sicherheit und die Entwicklung des Arbeitsmarktes sind Themen, mit denen sich die 1.001 Delegierten in Leipzig befassen werden. Für Diskussionen sei mehr Zeit vorgesehen als auf den letzten Parteitagen, kündigte Peter Hintze an. Das Strickmuster wirkt vertraut: Erst wird diskutiert – dann abgenickt.
Wolfgang Schäuble werde den Machtkampf über Sachfragen nicht wagen, meinen politische Beobachter in Bonn. Gegen den Willen Helmut Kohls könne er niemals Kanzler werden. Derzeit will der Bundeskanzler aber vor allem eines: selber im Amt bleiben. Die Regie des Parteitags verfolgt das Ziel, ihn ein weiteres Mal als führungsstarken Sieger zu präsentieren. Dabei soll der eigentliche Wahlparteitag doch erst im Mai stattfinden. Bettina Gaus
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