: Voll aus dem Rahmen!
■ Kann die SPD noch verhindern, daß das neue Hochschulrahmengesetz in Kraft tritt?
Output-Finanzierung, Deregulierung, Internationalisierung – mit diesen Schlagworten läßt sich die Novellierung des Hochschulrahmengesetzes umreißen. Nach fünfmonatiger Beratung präsentierte eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern ihren „Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes“, in dem ihre Mitglieder, unter ihnen Bildungsminister Jürgen Rüttgers (CDU), übereinkommen, daß eine grundlegende Reform des deutschen Hochschulwesens für die „internationale Wettbewerbsfähigkeit im 21. Jahrhundert“ unumgänglich sei.
Die Gruppe schlägt tiefgreifende Veränderungen vor, die im Bereich der Lehre von der Einführung internationaler Abschlüsse bis zu Hochschuleingangsprüfungen reichen. Die Finanzverteilung soll grundlegend geändert werden. Künftig sollen Wettbewerb und Evaluation über die Höhe der Staatsmittel entscheiden.
Rüttgers träumt von renommierten Elitehochschulen – andere befürchten den heimlichen Abschied aus der staatlichen Hochschulfinanzierung. „Ist erst einmal ein solches System installiert, ist es ein leichtes, nur die einzelnen Kennziffern für die Vergütung nach unten zu korrigieren und so die schleichende Unterfinanzierung voranzutreiben“, sagt Ortrun Bertelsmann, Vorstandsmitglied des Freien Zusammenschlusses von StudentInnenschaften. Die Studentin der TU München, die Deutschlands größten studentischen Dachverband vertritt, kritisiert darüber hinaus vor allem das Auswahlrecht der Hochschulen. „Statt der einst propagierten sozialen Öffnung setzt die Regierung auf Selektion“, so Bertelsmann.
In dieselbe Richtung stößt auch die Kritik eines Bündnisses unabhängiger Wissenschaftsorganisationen, Gewerkschaftsgruppen und Jugendorganisationen von SPD bis PDS. In einem gemeinsamen Papier kritisieren sie Zwangsberatungen und verkürzte Regelstudienzeiten als „administrativ reguliertes Studienverhalten“. Statt dessen fordern sie vor allem eine von Rüttgers seit Jahren blockierte Bafög-Reform hin zu einer bedarfsgerechten Studienfinanzierung. Und sie bemängeln, daß in den Entwurf kein Schritt in Richtung Demokratisierung der hochschulinternen Entscheidungsstrukturen aufgenommen wurde. Enttäuscht sind die KritikerInnen auch von der SPD, die so gut wie keine ihrer Forderungen verwirklichen konnte. Weder wurde ein Verbot von Studiengebühren festgeschrieben, noch konnten die Hochschuleingangsprüfungen verhindert werden.
Es wird jedoch noch einmal spannend: Bei der ersten Beratung des Entwurfs im Bundeskabinett entschied die Bundesregierung, von der kooperativen Haltung gegenüber den Ländern Abstand zu nehmen, und definierte das Gesetz als nicht vom Bundesrat zustimmungspflichtig. Das Kabinett will die Vorlage so schnell wie möglich durch den parlamentarischen Gesetzgebungsweg bringen. Rüttgers begründete, es sprächen keinerlei rechtliche Gründe für die Einbeziehung der Länderkammer, weil das Gesetz nicht direkt in die Kulturhoheit der Länder eingreife.
Das sehen andere aber nun ganz anders: Die nordrhein-westfälische Wissenschaftsministerin Anke Brunn (SPD) droht, das Gesetz per abstrakter Normenkontrolle zu Fall zu bringen. Dann müßte das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Sammi Sandawi
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