: Nachts, wenn der Nichtraucher kommt... Von Wiglaf Droste
Bernd Köppl ist gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Berlin und Mitverfasser des Nichtraucherschutzgesetzes der Grünen. Das alles ist er mit voller Absicht. Deshalb schreibt er auch Zeitungsartikel zugunsten der von ihm euphemistisch „Emanzipationsbewegung der Nichtrauchenden“ genannten Lobby aggressiver Nichtraucher, der er als führendes Mitglied angehört. Geschmückt wird der Politiker-Werbetext in eigener Sache mit dem Konterfei des Verfassers – in Köppls Fall also mit einem beschnäuzerten Kaninchen- rauchen-nicht-Gesicht, wie zum Beweise, daß Bernd Köppls Gebiß garantiert tabakfleckenfrei ist: Schaut, aus diesem reinen Mund / spricht Bernd Köppl volksgesund.
Denn die Volksgesundheit liegt dem Mann am Herzen, die will er schützen wie ein Lebensschützer das ungeborene Leben: hysterisch und fanatisch. Dazu bedarf es der Paranoia: Von Feinden umzingelt muß man sich und die Seinen sehen, um das eigene Aggressionspotential zu motivieren. Kein Problem für Köppl: „Jeder Kinobesuch ist mit einer Zigaretten- Zwangsberieselung verbunden. Normale Gaststätten sind für rauchempfindliche Personen, für Allergiker und Asthmatiker no- go-areas“, schreibt Köppl in Angebersprech – er hätte auch fernsehfrediekompatibel „ungeile locations“ sagen können.
Köppl möchte „von den USA lernen“, wie man Raucher als „underdogs“ denunziert, er nennt das „kulturelle Gegenbewegung“ und gleich noch einmal, als ob's durch Wiederholung wahr würde, „Emanzipationsbewegung der Nichtrauchenden“. Um die Kinder hartnäckig rauchender Eltern zu schützen, „brauchen wir eine Beratungspflicht“, schreibt Köppl – wer ist „wir“? Und warum nicht noch weitergehen? Wer schützt wehrlose Meerschweinchen, Rennmäuse und Wellensittiche vor den Gefahren des Passivrauchens? Oder hat sich das vegane Nichtraucherkommando „Hase Cäsar“ schon konstituiert?
Wie alle Feiglinge, die sich in Deutschland als Opfer stilisieren, weiß Köppl die Volksgemeinschaft hinter sich. Raucher, schreibt er nach dem Motto „Möge der älteste Witz gewinnen“, seien „eine kleine radikale Minderheit“, nämlich nur „25 Prozent, die die Mehrheit mit ihren unangenehmen Rauchfahnen belästigen“. Andererseits aber leben laut Köppl „50 Prozent aller Kinder in Deutschland in Raucherhaushalten“. Sind Raucher also dreimal so fruchtbar wie Nichtraucher? Gibt es ohne Zigarette auch keine Zigarette danach? Heulen sich die Nichtraucherpärchen auch im Bett derartig die Ohren voll über den Terror der Raucher, daß sie darüber vergessen, einander Trost und Freude zu spenden?
Man weiß es nicht. Klar ist nur: Wenn drei Viertel der Bevölkerung Nichtraucher sind, dann sind auch etwa drei Viertel aller Mörder, Totschläger und Fieslinge Nichtraucher. Da hat sich Köppl mit seiner Statistik ein Bein gestellt. Man liest schon die Schlagzeilen: „Skinhead-Überfall – Nichtraucher schlagen brutal zu“, „Angst in Deutschland: Nachts, wenn der Nichtraucher kommt...“, „Handtaschenräuber war Nichtraucher-Aktivist“, „NPD: Nichtrauchen Beitrittsbedingung“ oder „Soldaten sind Nichtraucher“. Da macht das Zeitunglesen wieder Spaß.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen