: „Erfolge überlassen wir der Polizei“
■ Jürgen Storbeck, voraussichtlicher Chef von Europol, über die Konkurrenz mit den Behörden der EU-Mitgliedsstaaten und die Immunität seiner Beamten
taz: Warum brauchen Europol- Beamte eine Immunität, die sie „von jeglicher Gerichtsbarkeit“ freistellt? Deutsche Polizeibeamte haben so etwas doch auch nicht.
Jürgen Storbeck: Die Verleihung von Immunität ist in internationalen Organisationen durchaus üblich. Die Regelungen für die EU-Kommission sind sogar noch weitergehender als bei Europol, da hat man uns eher kurz gehalten.
Daß etwas üblich ist, ist aber kein inhaltliches Argument. Wozu braucht Europol die Immunität?
Wir wollen zum Beispiel nicht, daß ein Europol-Beamter an der Grenze durchsucht wird, wenn er hochgeheime Unterlagen nach Deutschland bringt.
Und deshalb muß er von jeder strafrechtlichen Verantwortung freigestellt werden?
Also das Thema wird in Deutschland völlig überschätzt. Für Geheimnisverrat durch Europol-Beamte soll die Immunität ja gerade nicht gelten, und das ist doch die einzige Straftat, die ein Europol-Beamter im Dienst verüben kann – schließlich werden wir weder Ermittlungs- noch Eingriffsbefugnisse haben. Es geht hier wirklich nicht darum, Straftaten zu decken. Wenn es erforderlich ist, kann der Europol-Direktor die Immunität ja aufheben.
Was behindert den Aufbau von Europol mehr: die Kritik von Datenschützern oder die Angst der nationalen Polizeiapparate, Befugnisse zu verlieren?
Die Kritik von Datenschützern und Bürgerrechtlern wird bald verstummen. Sie werden von uns so gut informiert, daß die heutigen Ängste bald überwunden sind. Bei den Polizeiapparaten der Mitgliedsstaaten wird das vielleicht etwas länger dauern. Doch auch dort wird man merken, daß es in Europa soviel Kriminalität gibt, daß Europol – salopp gesagt – niemandem etwas wegnimmt.
Überlassen Sie den nationalen Polizeistellen auch gezielt Erfolge, um ein gutes Klima zu schaffen?
Natürlich, die Erfolgsmeldungen überlassen wir immer den nationalen Stellen. Wir sind schon froh, wenn dort auf unsere Unterstützung hingewiesen wird.
Wie lange wird es dauern, bis Europol eigene Ermittlungsbefugnisse erhält und nicht mehr nur die nationalen Polizeien unterstützt?
Das ist eine Frage des Leidensdrucks. Wahrscheinlich wird sich in den nächsten vier Jahren noch nichts tun. Wenn sich die Organisierte Kriminalität aber so weiterentwickelt, wird es wohl nicht mehr lange dauern.
Halten Sie die parlamentarische und gerichtliche Kontrolle von Europol für ausreichend?
Alles in allem ja. Natürlich könnte man das Europäische Parlament stärker einbeziehen, ebenso den Europäischen Gerichtshof. Doch im Vergleich zum derzeitigen Zustand, bei dem die bilaterale Polizeizusammenarbeit ja ziemlich unkontrolliert abläuft, ist die Rechtslage bei Europol eine deutliche Verbesserung.
Sie sind Chef der Europäischen Drogen-Einheit, dem Vorläufer von Europol, wollen Sie auch Chef von Europol werden?
Ich würde das gerne machen, und bisher gibt es noch keine anderen Bewerber.
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