: Europol ist kein europäisches FBI
Im Unterschied zur USA darf die EU-Polizei keine Verdächtigen festnehmen. Statt dessen widmet sie sich dem Datensammeln. Heute Abstimmung im Bundestag ■ Von Christian Rath
Das Hin und Her hat ein Ende. Der Bundestag wird nun doch bereits heute die umstrittene Europol-Konvention ratifizieren. Sachverständige werden erst später gehört – obwohl es zuletzt immer massivere Kritik gegeben hatte. Der neuen Super-Behörde werden Mängel beim Datenschutz sowie Schwächen bei der parlamentarischen und gerichtlichen Kontrolle vorgeworfen. Selbst der konservative Deutsche Richterbund appellierte an den Bundestag, der Konvention „in der vorliegenden Form“ nicht zuzustimmen.
Europol ist vor allem ein großer Computer, der Daten aus allen EU-Staaten sammelt: Daten über StraftäterInnen und Verdächtige, aber auch über Opfer, ZeugInnen und Kontaktpersonen. Die Daten bekommt Europol von den Polizeibehörden der fünfzehn EU- Mitgliedsstaaten und gibt sie bei Bedarf auch dorthin weiter. Eigene Ermittlungen führen die Europol-Beamten nicht, von einem europäischen FBI ist die Behörde damit noch weit entfernt.
Zunächst ist Europol nur für eine begrenzte Anzahl von Delikten wie Drogenhandel, Kfz-Verschiebung und Einschleusung von AusländerInnen zuständig. Formal kann die Arbeit der Behörde erst beginnen, wenn alle 15 EU- Staaten der Konvention zugestimmt haben. Tatsächlich arbeitet in Den Haag schon heute eine Vorläuferorganisation, nur heißt sie nicht Europol, sondern „Europäische Drogen-Einheit“. Und die nationalen Daten fließen in Den Haag noch nicht in einem Computer zusammen, sondern werden von 15 nationalen VerbindungsbeamtInnen ausgetauscht.
Außerdem soll die Den Haager Behörde Analysen zu grenzüberschreitenden Straftaten anfertigen. Nach Auffassung des voraussichtlichen Europol-Chefs Jürgen Storbeck sollen sich solche Dateien auf „klar umrissene Ermittlungsverfahren“ beziehen, also nicht „die Russenmafia“ oder „die PKK“ als ganzes in den Blick nehmen.
Bislang arbeiten rund 120 Beschäftigte in Den Haag, nach dem Start von Europol sollen es rund 500 sein. Steigern wird sich auch die Zahl der Anfragen. Im letzten Jahr haben die VerbindungsbeamtInnen „nur“ 2.050 nationale Anfragen bearbeitet. Daneben wurden zwei- bis dreihundert kurzfristige und 26 langfristige Analysedateien erstellt. Bei den „kleinen“ Analysedateien werden die nationalen Daten nur für ein bis drei Tage zusammengeführt, um damit „sofortige Erkenntnissprünge“ zu erzielen. Wird aber eine „große“ Analysedatei aufgebaut, dann steuert Europol faktisch über Monate hinweg die Ermittlungen der nationalen Polizeidienststellen.
Eine Spezialität von Europol sind auch sogenannte „kontrollierte“ Lieferungen. Dabei werden Drogen- und MenschenschmugglerInnen durch halb Europa verfolgt, um Routen und Hintermenschen kennenzulernen. Den Haag koordiniert dabei schon heute die Observation durch die nationalen Polizeien. 33 Aktionen hat Europol im letzten Jahr betreut.
In den nächsten Jahren sollen die Europol-Befugnisse ausgebaut werden. Gemäß dem Amsterdamer EU-Reform-Vertrag wird Den Haag dann auch an „gemeinsamen Teams“ mit PolizistInnen der Mitgliedsstaaten teilnehmen. „In der Sache stellt das aber nur klar, was wir eh schon machen“, gibt Storbeck zu.
Kontrolliert wird Europol nur durch ein Gremium, das aus den Datenschutzbeauftragten der 15 EU-Staaten besteht. Dieses Gremium wird gerichtsähnliche Befugnisse haben, Details müssen noch festgelegt werden. Die Grünen haben Europol vorgeworfen, es sei eine „gigantische Datenwaschanlage“. Indiz hierfür: Daten, die im bundesdeutschen Recht nach bestimmten Fristen wieder gelöscht werden müssen, kann Europol in seinen Analysedateien weiter benutzen.
Die parlamentarische Verantwortung von Europol ist äußerst begrenzt. So bekommt das Europäische Parlament nur einmal pro Jahr einen Bericht. Wenn es jedoch in Den Haag zu einem Skandal kommen sollte, kann kein verantwortlicher Minister zur Rechenschaft gezogen werden.
Um so bedenklicher ist, daß die EuropolbeamtInnen bei ihrem Tun sogar strafrechtliche Immunität genießen werden. Der Europol- Direktor muß die Immunität nur aufheben, wenn dies den „Interessen von Europol“ entspricht – eine Regelung, die nicht nur bei Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) auf Kritik stieß.
Union und FDP wollen der Europol-Konvention heute zustimmen. Die SPD wird sich enthalten, PDS und Grüne mit „Nein“ votieren. Erforderlich ist dann noch die Zustimmung des Bundesrates. Bisher wurde die Konvention erst in Großbritannien ratifiziert. Ernsthaften Widerstand gibt es bisher aber in keinem EU-Staat. Debatte Seite 12
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