■ In den Westen kamen sie als Boatpeople, im Osten waren sie Vertragsarbeiter: Von Vietnam nach Deutschland und zurück
Die ersten Vietnamesen kamen in den siebziger Jahren als Studenten in beide deutsche Staaten: aus dem ehemaligen Süd-Vietnam in die BRD, aus Nord-Vietnam in die DDR. Nach dem Ende des Vietnamkrieges 1975 flüchteten Zehntausende sogenannte Boatpeople nach Westdeutschland. Sie wurden als „Kontingentflüchtlinge“ beispielhaft integriert. In die DDR kamen neben den Studenten in den achtziger Jahren eine größere Zahl sogenannter Vertragsarbeitnehmer und Lehrlinge; Ende 1989 waren es 60.000.
Der größte Teil von ihnen kehrte 1990 mit 30.000 Mark Abfindung in der Tasche nach Vietnam zurück. Heute leben noch etwa 12.000 ehemalige Vertragsarbeiter in der Bundesrepublik mit befristeten Aufenthaltsbefugnissen. Wenn das von Bundestag und Bundesrat bereits verabschiedete neue Ausländergesetz in Kraft tritt, stehen ihnen größtenteils unbefristete Aufenthaltstitel zu.
In den neunziger Jahren kam eine große Zahl Vietnamesen als Asylbewerber nach Deutschland. Etwa die Hälfte von ihnen war zuvor als Vertragsarbeitnehmer in osteuropäischen Staaten tätig. Fast alle Asylanträge sind abgelehnt. Vietnam nimmt diese Menschen nicht zurück, weil sie nach vietnamesischem Recht ihre Heimat unerlaubt verlassen haben. Deshalb wurde 1995 zwischen der Bundesrepublik und Vietnam das Rückübernahmeabkommen geschlossen. Vietnam erklärte sich bereit, seine eigenen Staatsbürger, die ohne Aufenthaltsrecht in Deutschland leben, zurückzunehmen, und erhält im Gegenzug Entwicklungshilfe und Exportbürgschaften von Deutschland.
Betroffen sind nach offiziellen deutschen Angaben 40.000 der knapp 100.000 in Deutschland lebenden Vietnamesen. Diese Zahl kritisieren Ausländerinitiativen als viel zu hoch. Bisher sind wegen der schleppenden Erfüllung des Abkommens durch Vietnam etwa 2.500 Menschen nach dem Rückübernahmeabkommen zurückgekehrt, obwohl bis Ende 1997 eine Quote von 13.500 vereinbart worden war.
Eine unbekannte Zahl von Vietnamesen hat in den letzten beiden Jahren Deutschland in Richtung Polen, Tschechien oder Slowakei verlassen. Dort sind sie vor Abschiebungen nach Vietnam geschützt, weil diese Staaten keine Rückübernahmeabkommen mit Vietnam haben. Es wird geschätzt, daß gegenwärtig gut 90.000 Vietnamesen in Deutschland leben. Marina Mai
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