: Aus aus Rosenheim
530 Arbeitsplätze in Steilshoop gefährdet, weil die Mutter-Firma sich an den Rand des Ruins investiert hat ■ Von Judith Weber
Zu hohe Investitionen könnten daran Schuld sein, daß bei der Firma Ortmann+Herbst in Steilshoop 500 Arbeitsplätze gefährdet sind: Um neue Maschinen zu kaufen, hat der Rosenheimer Mutterkonzern Kettner sich verschuldet. Jetzt kann das Unternehmen seinen Angestellten keinen Lohn mehr zahlen. Die Kettner-Geschäftsführung erklärte gestern, „aussichtsreich mit einem Investor“zu verhandeln, der eventuell die gesamte Firma kaufen will.
„Unternehmerische Fehleinschätzungen“hätten die Geldmisere verursacht, schimpfte gestern der Hamburger Betriebsrat – von „ruinösem Konkurrenzkampf und veränderter Auftragsstruktur“abgesehen. Das Unternehmen stellt Getränke-Mixmaschinen her, vor allem für Coca Cola. Die für mehrere Millionen Mark gekauften neuen Anlagen, die für die Liquiditätsschwierigkeiten der Firma verantwortlich sein sollen, hätten wenig Sinn. Sie ermöglichen lediglich, Getränkedosen und -Flaschen nach einem neuen Verfahren zu befüllen. „Dafür hatten wir hohe Entwicklungskosten“, räumte gestern Kettner-Sprecher Manfred Rückstein ein. Der Konzern hatte hohe Kredite aufgenommen, um diese Investition tätigen zu können. Daß Kettner sich damit übernommen hat, „sieht fast so aus. Ich kann es aber nicht bestätigen“, sagte Rückstein.
In den Ruin investiert oder nicht: Alle 2000 MitarbeiterInnen könnten demnächst ihren Job verlieren – 530 davon in Hamburg, die anderen in Dortmund, München und in der Hauptstelle Rosenheim (taz berichtete am Mittwoch). „Man kann davon ausgehen, daß nochmal 800 Arbeitsplätze bei Zulieferer-Firmen entfallen“, fürchtet Heinz Sorgatz, Vorsitzender des Hamburger Betriebsrates. Im März dieses Jahres hatte Ortmann und Herbst bereits 65 MitarbeiterInnen entlassen. Die Belegschaft hofft nun, daß jemand den zahlungsunfähigen Konzern kauft. Die Geschäftsführung verhandelt bereits mit einem „interessierten industriellen Investor“. Er soll aus Italien kommen, wo Kettner ebenfalls Maschinen für die Getränkeindustrie produziert.
Noch einmal hatte das Unternehmen Anfang dieser Woche versucht, Geld von verschiedenen Banken zu bekommen. Doch die weigerten sich, obwohl der Hamburger Senat angeboten hatte, mit 20 Millionen Mark für Kettner zu bürgen. Besonders die Deutsche Bank soll sich gegen den Vorschlag gesträubt haben. Dabei „haben die Banken jahrzehntelang mit Ortmann+Herbst Geld verdient“, schimpft Heinz Sorgatz.
Hamburgs Wirtschaftssenator und seit vier Tagen amtierender Bürgermeister Erhard Rittershaus (parteilos) hat indessen mit dem bayerischen Wirtschaftsminister Otto Wiesheu „Schulterschluß vereinbart“. Wie der genau aussehen soll, ist noch unklar. Aber „die Verhandlungen werden intensivst fortgesetzt“, erklärte gestern Rittershaus– Pressestelle. Daß der Hamburger Senat Ortmann+Herbst im Pleitefall nach dem Modell der Bavaria-Brauerei auf St. Pauli übernehmen könnte, sei nicht im Gespräch – mit neuen Maschinen oder ohne.
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