: Eine Marimba aus Heldenknochen
Mit dem Roman „Das tägliche Nichts“, einer fulminanten Abrechnung mit dem Leben im Kuba der endlosen „Spezialperiode“, überraschte Zoé Valdés im Frühjahr 1996. Jetzt hat die 38jährige Kubanerin, die seit zwei Jahren in Paris lebt, mit „Dir gehört mein Leben“ das Thema des elenden kubanischen Alltags erneut aufgegriffen, diesmal anhand von 60 Jahren im Leben einer Frau in Havanna.
„Dir gehört mein Leben“ ist eine Textzeile aus einem Bolero von Beny Moré, dem einflußreichsten Sänger und Orchesterleiter im Havanna der 40er und 50er Jahre. Cuca Martinez heißt die Hauptfigur in Zoé Valdés' Roman. Sie kommt als 16jährige Provinzlerin nach Havanna, lernt durch zwei bisexuelle Freundinnen das Nachtleben kennen und verliebt sich in einen kleinen Geschäftemacher namens Juan. Dieser bleibt ihre große Liebe. Sie verbringt eine kurze, glückliche Zeit mit ihm, dann aber, mit dem „Triumph der Revolution“ 1959, verschwindet er, und für Cuca beginnt die zermürbende Zeit des endlosen Wartens, bis sie ihn nach über 30 Jahren unter erbärmlichen Umständen wiedersieht. Das alles wird mit viel Ironie und Liebe zu Details beschrieben, wobei sich der Ton des Romans in der Zeit nach 1959 ändert. Jetzt herrschen Bitterkeit, Kargheit und Sarkasmus, wo vorher alles üppig, überquellend, voller Farben, Klänge und Gerüche war. Die Geschichte ist weitgehend chronologisch erzählt, und je älter Cuca und ihre Freundinnen werden, um so häufiger gleiten diese Figuren ins Karikatureske ab, manchmal hat man den Eindruck, Gestalten aus einem Comic stolperten da durch ein von Mißwirtschaft und Krise verwüstetes Havanna. Wo früher Boleros, Sones und Charangas ertönten, ist bisweilen nur noch die Stimme des „Chefkommandanten“ zu hören – von Zoé Valdés konsequent „Super-XXL“ genannt –, der dem Volk nur noch das zu bieten hat: „Aus den Knochen unserer gefallenen Helden werden wir eine gigantische Marimba bauen, um darauf unsere glorreiche Nationalhymne zu intonieren.“ Apokalyptisch fürwahr, aber trotzdem nicht weit entfernt von der Realität, wenn man etwa an das makabre Schauspiel anläßlich der Rückführung der Gebeine Che Guevaras nach Kuba denkt. Geri Krebs
Zoé Valdés: „Dir gehört mein Leben“. Roman. Aus dem kubanischen Spanisch von Susanne Lange. Ammann Verlag, Zürich 1997, 333 Seiten, 44 DM
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