Bloß international keinen falschen Eindruck erwecken

■ Regierungskoalition lehnt nationalen Umweltplan für Deutschland ab, weil er „unrealistisch und unnötig“ ist. Andere waren damit erfolgreich, meinen BUND, Bündnisgrüne und SPD

Bonn (taz) – Hinkt Deutschland den meisten anderen Industrieländern im Umweltbereich hinterher? Warum hat Deutschland anders als zwei Drittel aller Industrieländer, darunter Süd-Korea, keinen nationalen Umweltplan? Wieder einmal war es nach neun Uhr abends, als das Thema Umwelt am Donnerstag im Bundestag aufgerufen wurde. Auf Antrag der Grünen soll ein nationaler Umweltplan erstellt werden.

Zur Zeit, so die Analyse der Bündnisgrünen, des BUND und der SPD, wurschteln Parteien, Umweltverbände, Ministerien nebeneinanderher. Es gibt wenig verbindliche Umweltziele. Niemand treibt das Prinzip der nachhaltigen Entwicklung entschieden voran. Das Vorzeigeziel, die Kohlendioxidproduktion bis zum Jahr 2005 um 25 Prozent zu senken, wird voraussichtlich verfehlt. Probleme, die von der Bevölkerung persönlich kaum wahrgenommen werden, wie Flächenverbrauch, Bodenverseuchung und Grundwasserbelastung, werden kaum angegangen.

Die Bündnisgrünen schlagen daher mit Unterstützung der SPD gemäß der Empfehlung der Agenda 21 der Klimakonferenz in Rio 1992 die Erstellung eines nationalen Umweltplans vor. Darin sollen konkrete Ziel- und Zeitvorhaben für Umweltziele enthalten sein, die Verursacher mit ins Boot geholt und alle für die Umweltpolitik bedeutsamen Ministerien wie zum Beispiel Wirtschaft, Verkehr, Bau, Landwirtschaft einbezogen werden. „Es macht doch keinen Sinn, daß die Umweltministerin allein für die CO2-Politik zuständig sein soll“, sagte etwa die SPD-Umweltexpertin Marion Caspers- Merk. Besonders wichtig: Zur Kontrolle soll die Bundesregierung dem Bundestag jährlich über Verlauf und Ergebnisse des Umweltplans berichten.

Die umweltpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, Michaele Hustedt, betont den Nutzen für die Wirtschaft. Eine Umweltpolitik mit berechenbaren Vorgaben wie etwa der eines Drei-Liter-Autos sorge für mehr Innovation und damit Wettbewerbsvorteile.

„Zwei Drittel aller Industrieländer haben bereits Umweltpläne oder Nachhaltigkeitsstrategien“, sagt Michaele Hustedt. Als beispielhaft sieht sie die Niederlande an, wo bereits 1989 der erste von drei Umweltplänen in Kraft gesetzt wurde. Der Plan enthält 200 meist quantifizierte und zeitlich befristete Einzelziele, die von allen Ministerien mitgetragen werden. Die Vorgabe des ersten Planes, die Reduzierung der Pestizide um 50 Prozent, sei bereits erreicht. In Dänemark sollen laut Umweltplan der Energieverbrauch bis 2030 um 15 Prozent gesenkt, die CO2-Emissionen halbiert und der Anteil erneuerbarer Energien auf ein Drittel gesteigert werden.

Die CDU lehnt einen Umweltplan ab. Es werde der falsche Eindruck erweckt, Deutschland hinke der internationalen Entwicklung hinterher, kritisiert der Umweltexperte Kurt-Dieter Grill. Die Qualität der Umweltpläne sei relativ gering. Es sei zwar zu begrüßen, daß Dänemark eine Reduzierung der CO2-Emissionen um 20 Prozent anstrebe. Deutschland nehme sich aber ohne Umweltplan 25 Prozent vor. Der südkoreanische Plan sehe Ausgaben in Höhe von einem Prozent des Bruttosozialprodukts vor. Die deutschen Umweltschutzausgaben hätten in den vergangenen Jahren zwischen 1,5 und 2 Prozent gelegen.

Zudem sei eine Einigung auf einen Umweltplan unrealistisch. Dazu seien die Vorstellungen der Parteien zu unterschiedlich, wie zum Beispiel bei der Entsorgung des Atommülls und der Kohlepolitik. Mit der SPD sei es nicht einmal möglich gewesen, sich über eine deutliche Reduzierung der Kilometerpauschale zu einigen.

Im übrigen, so Grill, werde die Umweltpolitik auf Kosten der anderen Ressorts durch einen Umweltplan überhöht. Politiker wie Arbeits- und Sozialminister Norbert Blüm würden es niemals akzeptieren, daß die Umwelt vorgebe, wieviel Geld noch für Soziales dasei. Markus Franz