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Jospin zwischen allen Stühlen

Bei Frankreichs Beschäftigungsgipfel: Regierung unentschlossen, Gewerkschaften uneins, Unternehmer eindeutig gegen einheitliche Arbeitszeitverkürzung  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Bis zum Konferenzauftakt hatte Jospin seine Verhandlungspartner in Unklarheit über seine Strategie gelassen. Selbst gestern vormittag blieb er noch vage, als er lediglich zusagte, er werde Schritte zur Arbeitszeitverkürzung gesetzlich verankern, und die Sozialpartner aufforderte, den Dialog wiederzubeleben. Seine Verhandlungspartner hatten mehr Klarheit erwartet. Vor allem aber die Antwort auf die Frage: Wird es ein verbindliches nationales Rahmengesetz geben, das eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung zu einem festen Termin einführt?

Im Vorfeld der monatelang vorbereiteten Konferenz hatte es Boykottdrohungen der Arbeitgeber und Streikdrohungen der Gewerkschaften gehagelt. Die Unternehmerverbände wollen mehr Spielraum für Lohn- und Arbeitszeitregelungen auf betrieblicher Ebene. Sie sind allenfalls bereit, eine maximale Jahresarbeitszeit statt einer Wochenarbeitszeit zu unterzeichnen, die ihnen mehr Flexibilität beim Zugriff auf die Zeit ihrer Beschäftigten sichern würde.

Die klassischen Gewerkschaften, allen voran die immer noch mitglieder- und mobilisierungsstärkste kommunistennahe CGT, fürchten, daß ein Aufweichen der nationalen Arbeitszeit- und Lohnregelungen auch ihre Rolle als Arbeitervertretung bei den Tarifverhandlungen beeinträchtigt. Sie sollen auf gar keinen Fall Lohneinbußen in Kauf nehmen. Und verlangen im Fall der Abspaltung der CGT, FO sogar eine zweiprozentige Erhöhung des gesetzlich festgelegten Mindestlohnes SMIC. Die reformistische Gewerkschaft CFDT hingegen, deren Chefin Nicole Notat schon während des dreiwöchigen Streiks Ende 1995 eine Oppositionsrolle innerhalb der Gewerkschaften gespielt hatte, setzt auf eine nationale Arbeitszeitregelung und moderate Lohnerhöhungen.

Um die Unternehmer ruhigzustellen, hatte Jospin, der ursprünglich selbst die Arbeitszeitverkürzung in die Debatte geworfen hat, schon vor der Konferenz erklärt, ein voller Lohnausgleich sei „unökonomisch“. Dem hielten zahlreiche Wirtschaftswissenschaftler entgegen, ein Kaufkraftverlust der Beschäftigten würde die Wirtschaft hemmen und damit gerade Arbeitsplätze vernichten, statt neue zu schaffen.

Unklar ist auch, ob eine nur zehnprozentige Arbeitszeitverkürzung den rasanten Produktivitätsgewinn der Wirtschaft auffangen kann. Zahlreiche Ökonomen, darunter auch Parteigänger der regierenden PS, KPF und der Grünen, sind vielmehr der Ansicht, daß ein möglichst schneller Übergang zur 32-Stunden-Woche nötig sei, um tatsächlich neue Arbeitsplätze zu schaffen.

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