: Volle Beschäftigung in 32 Stunden
Juso-Bundeskongreß in Hamburg: Mit öffentlichen Investitionen aus der Krise ■ Von Achim Fischer
„Wir halten nach wie vor an dem Ziel der Vollbeschäftigung fest, im Gegensatz zu vielen anderen Kräften in diesem Land“, erklärte am Wochenende Björn Wiele, Sprecher der Hamburger Jusos, bei einem republikweiten „Zukunftskongreß“der jungen Roten im Hamburger Gewerkschaftshaus. Wie das erreicht werden könnte, formulierte die Bundesvorsitzende der SPD-Jugendorganisation, Andrea Nahles: Mit einem öffentlichen Investitionsprogramm von 100 Milliarden Mark und Arbeitszeitverkürzungen.
„Steuern senken – das reicht nicht aus, um die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen“, hat Nahles erkannt. „Das Rezept ist gescheitert.“Seit den 60er Jahren sinkt der Anteil der Unternehmenssteuern an den staatlichen Einnahmen, Betriebsgewinne und Aktienkurse erreichen Rekordmarken, der Unternehmeranteil am volkswirtschaftlichen Einkommen steigt – aber die Zahl der Arbeitslosen nimmt weiter zu. „Es heißt immer: Wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es uns allen gut. Das stimmt einfach nicht.“
Der Staat soll sich stärker in die Beschäftigungspolitik einmischen, fordern die Jusos. „Wenn es um innere Sicherheit geht, da wird nach mehr Staat gerufen, da wird aufgerüstet. Aber da, wo der Staat eine soziale Ausgleichsfunktion hat, da ist er nicht erwünscht“, schimpft Nahles, die Bonner Koalition, aber auch zahlende Mitglieder der SPD, etwa Gerhard Schröder, im Hinterkopf.
Die Vorschläge der eigenen Partei – eine ökologische Steuerreform, Senkung der Lohnnebenkosten, Schaffung von Billigarbeitsplätzen – gehen den Jusos nicht weit genug. „Das bringt vielleicht eine Million Arbeitsplätze. Aber wir brauchen fünf Millionen.“
Vorschlag der SPD-Jugend: Ein öffentliches Investitionsprogramm soll Arbeit schaffen, den Konsum ankurbeln und letztlich noch mehr Arbeit schaffen. 100 Milliarden Mark, verteilt auf fünf Jahre, sollen es sein, bereitgestellt etwa für die Sanierung der maroden Abwasserkanalnetze vieler Städte oder für den Einstieg in die Solarenergie.
80 der 100 Milliarden Mark wärden nach Schätzung der Jusos als „Selbstfinanzierungseffekt“gedeckt. Denn die Projekte würden einen Teil ihrer Kosten selbst abdecken, da der Staat Arbeitslosengeld spart und gleichzeitig mehr Sozialbeiträge einnimmt. Die übrigen zwanzig Milliarden ließen sich über die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und eine konsequentere Besteuerung von Erbschaften und Schenkungen decken.
Zweiter Juso-Vorschlag: Die 32-Stunden-Woche soll „mittelfristig als Normalarbeitszeit“eingeführt werden. „Ohne Lohnausgleich ist das bei den Gewerkschaften nicht durchzusetzen“, ist sich Nahles sicher. Und so soll der Ausgleich vom Staat kommen. Geforderte Gegenleistung der Unternehmer: Neueinstellungen. Finanzieren ließe es sich nach Ansicht der Juso-Vorsitzenden mit Hilfe der Bundesanstalt für Arbeit. „Wir wollen lieber Arbeit statt Arbeitslosigkeit finanzieren.“
Ob die Vorschläge innerhalb der SPD konsensfähig seien? „Ich spreche nicht für die SPD, sondern für die Jusos. Und da sind sie konsensfähig.“Was sie glaube, was innerhalb der SPD durchzusetzen sei? „Das Investitionsprogramm.“In welchem Umfang? „30 Milliarden. Das reicht zwar nur für 500.000 Arbeitsplätze. Aber immerhin.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen