: Airprotz Hamburg mit Verspätungsgenehmigung
■ Fluglärmbilanz der Umweltbehörde: Persilschein für Fuhlsbüttel-Ausbau
Er habe „keine Zeit“, sondern müsse die Koalitionsverhandlungen vorbereiten, maulte der wirtschaftspolitische Sprecher und Geschäftsführer der GAL, Alexander Porschke, gestern unwirsch ins Telefon. Denn just bevor die potentiellen Regierungspartner SPD und GAL am Donnerstag den Streitpunkt „Flughafen“knacken wollen, legte die Umweltbehörde wie zufällig zum Wochenende ihre Fluglärmbilanz für 1996 vor. Danach – der Bericht liest sich wie die Absichtserklärung eines Automobilclubs zum Benzinsparen – müssen die Grünen erneut begründen, weshalb sie gegen den geplanten Ausbau des Flughafens (von 149.000 auf 225.000 Flugbewegungen in 2010) sowie für eine begrenzte Zahl von Starts und Landungen sind.
Airprotz Hamburg, so der Persilschein der Umweltbehörde, sei ein statistisch ruhiger Vertreter: Die besonders lauten Flieger wurden 1996 weitestgehend durch leisere „Kapitel-3-Maschinen“ersetzt. Ihr Anteil stieg um sieben und liegt nun bei insgesamt 90 Prozent. Zugleich sank die Zahl der Flugbewegungen gegenüber 1995 um geringfügige 0,2 Prozent, was vor allem auf einen Rückgang des Passagier-Verkehrs zurückzuführen ist: Der „im Durchschnitt lautere gewerbliche Flugverkehr“, räumt die Behörde ein, stieg um 1,2 Prozent.
Der technische Fortschritt ist mit Vorsicht zu genießen, warnt der Hamburger Rechtsanwalt Michael Günther als Vertreter lärmgeplagter Flughafen-Anwohner: Die Airbusse machten zwar weniger Krach, faktisch aber sei die nervliche Strapaze größer, wenn künftig häufiger gestartet und gelandet werde. „Die Beurteilung des Fluglärms ist abhängig von den Spitzenschallpegeln, dem Flugzeug-Mix, der Anzahl der Flugbewegungen, insbesondere zu störungsempfindlichen Zeiten.“
Denn viele Luftfahrtgesellschaften versuchen, die regulären Öffnungszeiten auszutricksen. Indem sie die Ankunftszeiten sehr knapp kalkulieren, kommt es ständig zu Verspätungen und damit zu Verstößen gegen das Landeverbot nach 23 Uhr: 1995 exakt 1226 Mal. Ihm seien die Hände gebunden, bedauert Hamburgs Fluglärmschutzbeauftragter Klaus Köhler: Bis 24 Uhr haben regelmäßige Verkehre eine automatische Verspätungsgenehmigung. Inzwischen sei es aber gelungen, die Zahl der verspäteten Flüge um ein Viertel zu reduzieren.
Die Wirtschaftscracks der SPD um Werner Dobritz jedoch haben bereits durchblicken lassen, daß sie sich „aus Standortgründen“auf die grüne Ausbaustopp-Forderung nicht einlassen werden. Allenfalls eine zweite Lärmschutzhalle für Probestandläufe würde wohl auch die SPD zugestehen.
Heike Haarhoff
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