: Die Wirtschaft ankurbeln - irgendwie
■ Die neue Mittelstandsoffensive des alten Wirtschaftssenators Hartmut Perschau: Unternehmer, die Steuergelder eingestrichen haben, müssen trotzdem keine Arbeitsplätze schaffen
Wirtschaftssenator Hartmut Perschau hat kurz vor seinem Ausscheiden ein dickes Papier unter der Überschrift „Mittelstands-Offensive im Lande Bremen“vorgestellt. In der schönen Präambel heißt es, die Lage sei durch einen „starken Beschäftigungsabbau in der Großindustrie“gekennzeichnet. Überdurchschnittliches Wachstum, auf das das Sanierungsprogramm abziele, sei jedoch „ohne eine dynamische mittelständische Wirtschaft nicht zu erreichen“.
Die Gewerbesteuersätze seien seit zehn Jahren eingefroren, freut sich das Wirtschaftsressort, verbessert werden müssen aber ein anderes Element der Förderung: der „Mustergrundstücksvertrag“. Der bisherige Vertrag „bindet Unternehmen bei der Vergabe preisgünstiger Grundstücke arbeitsplatzmäßig“, Damit werde er „der heutigen Wettbewerbssituation im Raum Bremen nicht mehr gerecht“. Andernorts verlange der Mustergrundstücksvertrag nur die Realisierung der zugesagten Investitionen, das sei „wettbewerbsmäßig systemgerechter als eine unrealistische Arbeitsplatzauflage, deren Sanktionsmechnismen praktisch kaum durchsetzbar ist.“
Diese Sätze haben es in sich. Daß ein Unternehmen, das ein subventioniertes Grundstück bekommt, dort auch baut und einen Betrieb errichtet, liegt eigentlich in der Natur des Grundstücksverkaufs – Wiesen und Weiden werden gewöhnlich nicht subvenioniert. Die „Realisierung der zugesagten Investition“ist also eher eine Selbstverständlichkeit und keine ernsthafte Auflage. Wenn ein Betrieb neu entsteht im Lande Bremen, und sei es nur durch Umsiedlung aus einem anderen Bundesland oder einer Gemeinde vor den Landesgrenzen, dann wäre eigentlich auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze eine Selbstverständlichkeit. Wenn diese Bedingung als „beeinträchtigende Auflage“gilt, die der „heutigen Wettbewerbssituation im Lande Bremen nicht mehr gerecht“wird, dann geht es offenbar darum, daß in vielen Fällen Betriebe nur innerhalb des Landes Bremen umsiedeln und dabei keine zusätzlichen Arbeitsplätze schaffen.
Etwa den Fall Siemens, auch wenn das kein mittelständisches Unternehmen ist: Wenn Siemens für einen hochsubventionierten Grundstückspreis unter 100 Mark pro Quadratmeter eine grüne Wildnis im Technologiepark Universität kaufen kann, um seine Verwaltung aus dem veralteten Hochhaus am Bahnhof dorthin zu velagern, dann wissen alle: Hier geht es um Rationalisierung und Arbeitsplatzabbau. Das hat auch bisher die Wirtschafts behörde nicht gehindert, die Grundstückspreise so weit zu subventionieren, daß von einem „Markt“für Gewerbegrundstücke in Bremen nicht gesprochen werden kann. Nur gab es, wenn Arbeitsplatzauflagen gemacht wurden, regelmäßig hinterher ärgerliche Arbeit.
Solche Auflagen sind sowieso „Kann-Bestimmungen“, hat der Mitarbeiter des Wirtschaftsressorts, Lehmkuhl, der Wirtschaftsdeputation im Frühjahr schon einmal erläutert. „Ob eine Rückforderung geltend gemacht werden muß (!), sei im Rahmen von pflichtgemäßem Ermessen ... zu prüfen“. Auf deutsch: Wenn das Unternehmen angab, es habe sich in der „Einschätzung der Marktverhältnisse“geirrt, dann begründete das schon einen „Rückforderungsverzicht“. Insbesondere wenn dann ein Unternehmen auch noch angeben kann, es werde notfalls „abwandern“, dann kommen „bremische Interessen“auf die Waage. Bei 207 Förderbescheiden aus den letzten Jahren wäre in 40 Fällen eine „Rückforderung“angebracht gewesen, von 36 Millionen insgesamt acht Millionen betroffen, also 25 Prozent. Wieviel davon wirklich eingetrieben wurde, steht nicht im Protokoll der Wirtschaftsdeputation vom 30.4.97 – praktisch nichts.
Ein Jahr vorher hatte der Senat schon einmal auf eine Anfrage der SPD hin die Problematik übeprüft. Die elf größeren Betriebe, so das eindeutige Ergebnis, hatten ihre Wirtschaftsförderung kassiert und damit Arbeitsplätze abgebaut (vgl. taz 21.2.97). Nur bei den Unternehmen unter 500 Mitarbeitern waren durch Investitionen auch neue Arbeitsplätze entstanden. „Das muß Konsequenzen haben“, hatte damals der SPD-Abgeordnete Carsten Sieling gefordert.
Er hatte sicherlich ganz andere Konsequenzen gefordert als die, die das Wirtschaftsressort betreibt. Die Subvention über den Mustergrundstückvertrag ist dabei nur ein kleiner Ausschnitt des Fördervolumens. Die Förderung soll „stärker als bisher aus der Perspektive der Unternehmen gestaltet werden“, steht in der Präambel der neuen Mittelstandsoffensive, ohne die kaum durchsetzbaren Arbeitsplatzauflagen. K.W.
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