■ Die Anderen: "Algemeen Dagblad" sieht Kohl wanken / "La Repubblica" über den Vater des Vaterlandes / "Il Messaggero" über Kohls Alpdruck / "La Vanguardia" über die Situation in Kuba
Das „Algemeen Dagblad“ aus Rotterdam sieht Kohl wanken: „Als Kohl seine Kanzlerkandidatur im April bekanntgab, wollte er noch das Urteil der Partei hören. Jetzt steht dieses Thema noch nicht einmal auf der Tagesordnung des dreitägigen Parteitags. Der Koloß beginnt nach 15 Amtsjahren als Kanzler und einem Vierteljahrhundert als Parteivorsitzender zu wanken. Junge regionale Parteiführer und der erfahrene Ministerpräsident Biedenkopf aus Sachsen fordern ihn auf, den Parteivorsitz niederzulegen. In den festlich geschmückten Korridoren der Neuen Messe in Leipzig herrscht unverkennbar eine verschwörerische Atmosphäre. Auch wenn nur eine Handvoll Kritiker ans Rednerpult zu treten wagt, ist es deutlich, daß heftig über die Zeit nach Kohl nachgedacht wird.“
Die italienische „La Repubblica“ über den Vater des Vaterlandes: „Die Herausforderung der ,Jungtürken‘, die im Boom der 68er Jahre geboren wurden, gegen den Vater des Vaterlandes vereint sich mit der viel heimtückischeren Front der verschiedenen Strömungen, die Kohl gerade auf dem Gebiet herausfordern, das ihm am meisten am Herzen liegt: bei der Währungsunion, mit der der Schöpfer der Wiedervereinigung sein politisches Schicksal verbunden hat und dessen Verschiebung Biedenkopf, der bayerische Ministerpräsident Stoiber und der sozialdemokratische Schröder fordern. Formell ist Kohls Führung nicht gefährdet, seine Bestätigung als Parteichef steht nicht auf der Tagesordnung, denn diese Frage wird erst nach den Wahlen angegangen.“
Der römische „Il Messaggero“ über Kohls Alpdruck: „Er wird es zwar nicht schaffen, den Rekord von Otto von Bismarck zu schlagen, der 28 lange Jahre im Sattel war, aber Helmut Kohl präsentiert sich dem CDU- Parteitag in Leipzig mit einer ganzen Reihe von Jahren auf dem Buckel und zudem mit der Sicherheit, aufs neue in seiner Absicht bestärkt zu werden, bis zum schicksalhaften Jahr 1999 im Amt zu bleiben, wenn die Europäische Währungsunion beginnt und zugleich die Regierung nach Berlin umzieht. Dennoch eröffnet die CDU ihren Parteitag, bei der das Thema Währungsunion im Zentrum der Debatten steht, mit einer Welle der Kritik von seiten der jungen Aufmüpfigen an der Führung Kohls sowie unter dem Alpdruck der Bundestagswahlen im September nächsten Jahres.“
Die spanische „La Vanguardia“ über die Situation in Kuba: „Die Lage der Kommunisten auf Kuba ist nicht ganz so hoffnungslos wie beim vorigen Parteitag, als der Zerfall der Sowjetunion gerade begonnen hatte. Trotzdem muß man feststellen, daß das Castro-Regime nicht die geringsten Absichten zeigt, sich selbst zu reformieren. Die USA tragen mit ihrem Wirtschaftsembargo, das durch das völlig absurde Helms- Burton-Gesetz noch verschärft wird, sogar dazu bei, daß die notwendigen Reformen erschwert werden.“
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