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Italiens Linke: Haushalt, die zweite

■ Ärger bei den Neokommunisten nach dem Bruch der Regierungskoalition – jetzt wollen es alle noch einmal versuchen

Rom (taz) – Das noch amtierende italienische Kabinett unter Regierungschef Romano Prodi will einen zweiten Anlauf unternehmen, doch noch mit Unterstützung der neokommunistischen Rifondazione Comunista weiterregieren zu können. Nachdem gestern Vertreter der Olivenbaum- Koalition mit Staatspräsident Oscar Luigi Scalfaro diskutiert hatten, hieß es, man werde auf die Forderung der Kommunisten nach Einführung der 35-Stunden- Woche eingehen, wenn diese im Gegenzug dem Haushaltsgesetz zustimmen.

So sieht sich Fausto Bertinotti, Chef der Rifondazione Comunista, „voll und ganz“ in seinem Kurs bestätigt: „Wir können doch keine Regierung am Leben halten, nur weil diese sich links nennt, im übrigen aber alle Ideale der Linken verrät“, hat er in den letzten Tagen wiederholt, so oft er konnte. Mittlerweile klingt das allerdings immer weniger überzeugt und überzeugend. Tausende von Protestbriefen vom eigenen Wahlvolk sind eingelaufen, seit die Partei das Mitte-links-Bündnis wegen des Haushaltsfinanzierungsgesetzes aufgekündigt und Prodi am vergangenen Donnerstag zum Rücktritt gezwungen hat.

Selbst in den Fabriken, den „Festungen“ der Rifondazione, scheiden sich die Geister plötzlich nicht mehr entlang den Parteibüchern, wie Bertinotti sich das erwartet hatte, sondern vor allem quer durch sein eigenes Wahlvolk. „Unsere eigenen Leute zerfleischen sich“, entsetzt sich ein Fraktionsberater nach zahlreichen Telefonaten bei Fiat, Pirelli, Olivetti und Telecom. „Idioten, ihr!“ schreit ein Betriebsrat aus Turin ins Handy, „hat euch die Niederlage 1970 nicht gereicht, eh? Wollt ihr das wiederholen?“ – Anspielung auf den damals just von Leuten wie Bertinotti durchgesetzten Generalstreik, der nach kurzer Zeit in einer Gegendemo von 40.000 Menschen untergegangen war und den Niedergang der vordem fast allmächtigen Gewerkschaftsbewegung eingeleitet hatte.

In den kleinen Parteisektionen vor Ort ist die Auseinandersetzung nicht minder heftig. Auf dem Wochenmarkt von Pontinia, einem 10.000-Einwohner-Städtchen südlich von Rom, ging es vergangenen Freitag haarscharf an einer Schlägerei vorbei, als ein Bertinotti- Getreuer seinen Parteigenossen erklären wollte, warum der Schritt richtig war; umgekehrt rückten im benachbarten Latina Anhänger des harten Kurses einem Genossen zu Leibe, der in einem Leserbrief an die Parteizeitung Liberazione die Führungsriege als „Haufen blindwütiger Politabenteurer“ bezeichnet haben soll.

Umfragen haben ergeben, daß im Falle von Neuwahlen gut ein Drittel der bisher 8,9 Prozent Rifondazione-Wähler nunmehr die gemäßigte Demokratische Partei der Linken (PDS) unterstützen würde, damit die Regierung zumindest nicht wieder in die Hände der Rechten fällt.

So sehen es viele Neokommunisten als Erleichterung an, daß Bertinottis Delegation dem Staatspräsidenten bei seinen Konsultationen eine Neuauflage der bisherigen Regierung vorgeschlagen hat. Allerdings sehen auch die Verfechter eines Kompromisses innerhalb der Rifondazione nun ein neues Dilemma: „Die Linksdemokraten werden uns natürlich eins pusten, wenn wir noch weitere Zugeständnisse fordern“, so Fraktionschef Antonio Alla vom Stadtrat in Terracina, „und das bedeutet, daß die Partei das Gesicht verlieren würde.“

Ob die von Regierungschef Prodi angekündigte Gesetzesinitiative zur Verkürzung der Arbeitszeit reichen wird, Bertinotti aus der selbstgestellten Falle zu befreien, ist fraglich. So klingen nun die lediglich 48 Stunden, die die Linksdemokraten den Neokommunisten für eine Einigung zugebilligt haben, tatsächlich wie ein „Entweder zu unseren Bedingungen oder gar nicht“. Auf solche Härte hofft Bertinotti – denn sie könnte ihm erlauben, den Schwarzen Peter tatsächlich an die Linksdemokraten weiterzumogeln.

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