Höhere Abgaben für Millionäre

Bündnisgrüne stellen Entwurf für das neue Wahlprogramm vor: Umbau der Kohleregionen, höhere Einnahmen durch Erbschafts- und Schenkungssteuer; die Zahl der Bundeswehrsoldaten soll halbiert werden  ■ Aus Bonn Markus Franz

An erster Stelle des bündnisgrünen Entwurfs für ein Wahlprogramm, der gestern in Bonn vorgestellt wurde, steht der ökologische Umbau. Und doch wurde gestern vor allem der letzte Punkt des Programms heiß diskutiert: die Außenpolitik. Fraktionssprecher Joschka Fischer hatte am Wochenende wegen der im Entwurf enthaltenen Vorstellungen von Auflösung der Nato, Abschaffung der Armee, Halbierung der Bundeswehrstärke vor einem „Absturz“ bei der Bundestagswahl gewarnt. Die anderen Bereiche gerieten dadurch in den Hintergrund.

Weitgehend einig sind sich die Grünen in ihrem originären Bereich, der Umweltpolitik. Die Parteisprecher Jürgen Trittin und Gunda Röstel nannten es „symbolisch“, daß mit dem Umweltbereich ein Schwerpunkt gesetzt werde. Der Preis für einen Liter Benzin soll bis zum Jahr 2005 auf 4,30 Mark angehoben werden. Ursprünglich hatten die Grünen 5 Mark angepeilt. Zudem sind eine leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe sowie eine Kerosinsteuer geplant. Nicht unumstritten wird wohl der „umweltverträgliche Umbau der Kohleregionen“ bleiben. Schließlich hat sich die Spitze der Grünen mit dem Kampf der Kumpels gegen Subventionskürzungen solidarisiert.

Wie die Sozialdemokraten wollen die Grünen eine größere Verteilungsgerechtigkeit erreichen. Im Rahmen eines Lastenausgleichs soll der Steuersatz für Vermögen über 2 Millionen Mark deutlich erhöht werden. Vorgesehen ist auch die Wiedereinführung der Vermögenssteuer in Höhe von 1 Prozent. 10 Milliarden Mark Mehreinnahmen sollen durch eine Reform der Erbschaft- und Schenkungssteuer hereinkommen. Als Entlastung ist geplant, das einkommenssteuerfreie Existenzminimum von 12.000 auf 15.000 Mark und das Kindergeld auf 300 Mark zu erhöhen.

In den vergangenen Monaten waren die Flügelstreits bei den Grünen fast in Vergessenheit geraten. Hat etwa die professionellere Arbeit der sogenannten Realos den Eindruck eines Konsenses entstehen lassen, den es in dieser Weise nicht gibt, wie ein Fraktionsmitglied vermutet? Aber noch handelt es sich ja um den „ersten Entwurf“ eines Wahlprogramms, wie die Parteisprecher Jürgen Trittin und Gunda Röstel ausdrücklich betonen. Diesmal wollen sich die Grünen mehr Zeit für die Programmdiskussion nehmen. 1994 waren es nur drei Monate. Diesmal werden es sechs sein, bis im März die Delegiertenkonferenz das Wahlprogramm beschließt.

Gunda Röstel sagte: „Wir wollen bewußt eine offene Diskussion eingehen.“ Dies sei ein Zeichen innerparteilicher Demokratie. Damit gehen die Parteisprecher auf die Vorwürfe der jüngsten Zeit ein, die Grünen konzentrierten sich auf den Regierungswechsel statt auf eine andere Politik.

Schon vor Wochen hatten Bündnisgrüne vor allzu großen Konflikten bei der Außenpolitik gewarnt. Schließlich können mit diesem Thema keine Wahlen gewonnen werden. Aber sie könnten deswegen möglicherweise verloren werden, wenn die Grünen, wie Joschka Fischer sagt, mit ihrer Außenpolitik den Beweis der Regierungsfähigkeit schuldig bleiben.

In der Fraktion zeigte man sich gestern bestürzt über den außenpolitischen Teil des Wahlprogramms. Politisch sei das schon ein deutlicher Rückfall hinter das, was in den letzten Jahren bei den Grünen diskutiert worden sei. Insbesondere nach den Erfahrungen in Bosnien sei der Eindruck entstanden, die Grünen würden sich mehr oder weniger geschlossen für eine Fortsetzung des Bundeswehrmandats in Bosnien aussprechen. Auch die ausdrückliche Ablehnung der Nato-Osterweiterung im Wahlprogramm überrascht die Fraktion. Dort ist man mehrheitlich für die Erweiterung, allerdings nicht über den Kopf von Rußland hinweg.

Auch in bezug auf Wirtschafts- und Finanzpolitik bestehen Differenzen. Die wirtschaftspolitische Sprecherin Margareta Wolf beklagt, daß die Partei nicht mehr auf den Sachverstand der Fraktion zurückgegriffen habe. Es sei möglicherweise nicht kompatibel, den in dem Entwurf geforderten Lastenausgleich für Millionäre zusätzlich zur Wiedereinführung der Vermögenssteuer und der Erhöhung des Solidaritätszuschlags zu verlangen.

Die Forderung nach einer neuen Unternehmensverfassung führe nur zu mehr Bürokratie, so Wolf. Der Absatz über Wettbewerbsrecht und die Forderung nach Verschärfung der Wettbewerbsbedingungen seien nicht durchdacht. Unverständlich sei, warum die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital aus dem Entwurf geflogen sei. Auch die Einführung einer internationalen Spekulationssteuer wird von vielen Realos als unrealistisch abgelehnt.