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Konzerne ineinander packen

300 Angestellte der Firma „Ortmann + Herbst“demonstrierten in Steilshoop für längst fällige Löhne und den Erhalt ihrer Arbeitsplätze  ■ Von Judith Weber

Die Telefonistin windet sich: „Nein, momentan ist niemand zu erreichen. Die Herren sind, wie soll ich sagen... unterwegs.“Die Herren arbeiteten nicht gestern vormittag. Sie waren auf der Straße, wie die meisten Damen auch. Plakate schwenkend und trillernd, für längst fällige Gehälter und den Erhalt ihrer Arbeitsplätze.

Mehr als die Hälfte der 530 „Ortmann+Herbst“-Angestellten demonstrierte gestern in Steilshoop. Die Maschinenbau-Firma ist vom Konkurs bedroht (taz berichtete mehrfach), und ihre Belegschaft will nicht warten, bis der Mutterkonzern Kettner in Rosenheim mit einem Investor über den Verkauf verhandelt hat.

„Der italienische Sasib-Konzern ist sehr an uns interessiert“, erklärt indessen der Hamburger Geschäftsführer Wolf Cornelius. Sasib Beverage, wie der mögliche Käufer mit vollem Namen heißt, sitzt in Parma und macht jährlich 1,5 Milliarden Mark Umsatz. Der Konzern stellt Verpackungen her für so ziemlich alles, was sich in Folie, Schachteln, oder Dosen unterbringen läßt: Bonbons beispielsweise, Zigaretten oder eben Getränke. Auch Kettner stellt Dosen-Füllanlagen her.

Wenn die Firma den Konzern übernimmt, konzentriert sich der deutsche Markt für Getränke-Abfüller. Vier Unternehmen beherrschen ihn; Sasib ist das viert-, Kettner das drittgrößte. Eine Übernahme würden das Bundeskartellamt vermutlich dennoch nicht verhindern: Der neue Doppel-Konzern „wäre immer noch kleiner als die marktführende Firma“, erklärt Cornelius und blickt in der Steilhooper Betriebs-Kantine über die verlassene Kaffeetheke. Leise fügt er hinzu, was sich etwa zur gleichen Zeit draußen die Angestellten zurufen: „Daß hier nicht alles so weitergehen wird wie bisher, ist klar.“Obwohl Wirtschaftssenator Erhard Rittershaus gestern nach Parma faxte: Der Senat werde jederzeit für Kredite bürgen, um den Standort Hamburg zu erhalten.

„Arbeitsplätze noch und nöcher werden wegfallen“, gellt dennoch ein Mitarbeiter auf der Straße. Dann sagt er noch etwas, aber die Trillerpfeifen sind lauter – fast so schallend wie der Betriebsratsvorsitzende Heinz Sorgatz mit seinem Megaphon. „Sofortige Mittel-Freigabe für Gehälter“, fordert er, weil „viele Familien schon jetzt am Ende ihrer finanziellen Möglichkeiten stehen“. Genau, nickt der Feinmechaniker Uwe Millanowski: „Wir haben schließlich seit September nichts bekommen.“

Und das nur, weil die Banken sich weigern, Kettner mehr Kredit zu geben, schimpfen die Angestellten. 80 bis 100 Millionen Mark hätte das Unternehmen gebraucht, „um 1998 schwarze Zahlen zu schreiben“, schätzt Vertrauensmann Detlef Hartmann. 30 bis 40 Millionen bräuchte allein die Hamburger Niederlassung für ihre laufende Produktion. Vorige Woche aber hatte die Deutsche Bank entschieden, daß sie den Konzern nicht mehr unterstützt. Einer der DB-Kunden ist die bayrische Krons AG: Der deutsche Marktführer in Sachen Getränkeabfüllung und damit Konkurrent von Kettner . War das der Grund für die Kredit-Verweigerung? „Dazu kann ich nichts sagen“, erklärt Geschäftsführer Cornelius.

Die Telefonistin wimmelt weiter AnruferInnen ab. Und draußen hört ein Drehorgelmann vor Trillern sein Geleier nicht mehr.

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