: Nicaragua - die einstige Volksmacht investiert
Das Sandinistische Volksheer, nach dem Sieg der Revolution über die Somoza-Diktatur aufgebaut aus den militärischen Strukturen der Sandinistischen Nationalen Befreiungsfront (FSLN), war in den achtziger Jahren die größte zentralamerikanische Armee. Die FSLN hatte die Parlaments- und Präsidentschaftswahl schon verloren, als Daniel Ortega am 7. April 1990 das Dekret 521 unterschrieb, nach dem das „Institut zur sozialen Vorsorge für das Sandinistische Volksheer“ aufgebaut werden sollte. Wenige Tage später überreichte er die Präsidentenschärpe an seine konservative Nachfolgerin Violeta Barrios de Chamorro, die das Heer von siebzigtausend auf knapp über zehntausend Mann reduzierte.
Den finanziellen Grundstock der Rentenkasse bildete General Humberto Ortega mit einem umstrittenen Waffenverkauf. Der Bruder von Daniel, bis 1996 Chef der nicaraguanischen Streitkräfte, verschacherte Hubschrauber, Radare, Artillerie und Sturmgewehre an verschiedene lateinamerikanische Staaten. Wieviel Gewinn dieser Handel einbrachte, wurde offiziell nie bekanntgegeben – Schätzungen des US-Außenministeriums belaufen sich auf 100 Millionen Dollar. In einem bitterarmen Land wie Nicaragua ist das eine Menge Geld. Was mit diesem Geld und mit den Beiträgen der Versicherten gemacht wurde, entzieht sich auch in Nicaragua der öffentlichen Kontrolle.
Eine Studie über die wirtschaftlichen Aktivitäten der Militärs, die Ángel Saldomando vom Büro der Vereinten Nationen in Managua angefertigt hat, kommt zu dem Schluß: „Keiner kennt das Ausmaß. Es gibt keine zuverlässige Quelle.“
Auch das Parlament weiß nicht Bescheid. Der frühere Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Andrés Robles, sagt: „Wir haben keinerlei Kontrolle. Wir wissen nicht einmal, ob die Militärs selbst die Kontrolle haben.“ Nach Schätzungen des rechten Unternehmerverbands COSEP verfügt die soldatische Rentenkasse über weitaus mehr Kapital als alle nicaraguanischen Banken zusammen. Die rechtsliberale Tageszeitung La Tribuna veröffentlichte eine Liste von 22 Firmen, die von der Armee kontrolliert werden. Danach gehören der Rentenkasse drei Banken, verschiedene Bauunternehmen, Handelsketten, Krankenhäuser, Fischereibetriebe und metallverarbeitende Fabriken. Ein Unternehmen verleiht Hubschrauber, Flugzeuge und Schnellboote aus militärischen Beständen. Diese Liste wurde vom Generalstab nie dementiert.
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