: Wohnungen für den innerstädtischen Stadtrand
■ Die IBA brachte eine nachhaltige Wende in der Westberliner Stadtplanung, die nicht mehr auf Flächenabriß, sondern auf behutsame Stadterneuerung setzte. Mauerabriß war nicht vorgesehen
Wer heute an das Jüdische Museum denkt, dem kommt der Streit um seinen geschaßten Direktor Amnon Barzel in den Sinn, kaum aber die Internationale Bauausstellung. Dennoch: Wie die neue SPD-Parteizentrale im Kreuzberger Willy-Brandt-Haus, das Familiengericht am U-Bahnhof Möckernbrücke und der Neubau der taz in der Kochstraße geht auch das gezackte Jüdische Museum des Architekten Libeskind auf Planungen der Internationalen Bauausstellung zurück.
Die Idee, in Berlin eine neue Bauausstellung durchzuführen, entstand Mitte der siebziger Jahre. „Damals steckten die Innenstädte und besonders West-Berlin in einer tiefen Krise“, erinnert sich Ex- IBA-Mitarbeiter Günter Schlusche. Schon seit den fünfziger Jahren sei nicht mehr im Zentrum, sondern an der Peripherie gebaut worden.
„Hinzu kam eine total festgefahrene Sanierungspolitik“, so Schlusche weiter. Zudem wandte sich die Stadtplanung von der alten Innenstadt ab, die seit dem Mauerbau 1961 am Rand West-Berlins lag. Schlusche: „Damals dachte man nur noch an den Kurfürstendamm.“
Damit sollte Schluß sein, beschloß der damalige Bausenator Harry Ristock (SPD). Und er wollte anders vorgehen als bei Bauausstellungen zuvor: 1957 war das Hansaviertel im Tiergarten gänzlich neu entstanden. Nun sollte in den bewohnten Gebieten der alten Innenstadt, vor allem in Kreuzberg und im südlichen Tiergarten, neues Bauen demonstriert werden. Das Motto: die Innenstadt als Wohnort. Schon das, so Schlusche, sei eine „revolutionäre Entscheidung“ gewesen.
Eine zweite kam hinzu: Ristock beauftragte mit der Planung der Bauausstellung, die zunächst für 1981 angepeilt war, dann aber auf 1987 verschoben wurde, nicht die Verwaltung. Sie gründeten 1979 die Bauausstellung Berlin GmbH, die neben anfänglichen Zuschüssen vom Bund gänzlich vom Land Berlin finanziert wurde. Die 80 MitarbeiterInnen der Planungsgesellschaft sollten in den folgenden acht Jahren mit Eigenmitteln von knapp 100 Millionen Mark etwa drei Milliarden Mark Investitionsvolumen bewegen.
Aufgeteilt wurde die Planung in Stadterneuerung und Neubau. Die IBA-Alt wollte unter Leitung des Architekturprofessors Hardt-Waltherr Hämer „die kaputte Stadt retten“ und setzte statt auf Flächensanierung auf behutsame Stadterneuerung. Der Chef der IBA-Neu, Josef Paul Kleihues, wollte die Stadt „kritisch rekonstruieren“. „Es sollte also kein völlig neues Bild entstehen, aber auch nicht platt nachgebaut werden“, erläutert Schlusche.
Beispiel: Zwischen der Köthener und Alten Jakobstraße in Kreuzberg plante die IBA auf einem Gebiet von 125 Hektar den Bau von 2.500 Sozialwohnungen. Insgesamt entstanden durch die IBA über 4.000 Wohnungen, dazu Kitas, Grundschulen, Jugendfreizeitheime und öffentliche Grünflächen. ALs die IBA GmbH 1987 aufgelöst wurde, war gut die Hälfte dessen fertig, was sie geplant hatte, heute sind es etwa 90 Prozent. Schlusche: „Der Rest wird vielleicht gar nicht mehr realisiert.“ Sabine am Orde
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