Schreibe nie über Verona...

■ ...du nutzt ihr nur. Funktioniert so der Erfolg von Trash-TV? Oder nimmt es eh keiner ernst?

Sie kamen in Wellen: vor fünf Jahren eine Legion von Spielshows, Millionengewinne oder auch nur eine Kaffeemaschine verheißend. Darauf die Invasion der lebensnahen Berichterstattung, Reality TV, immer feste drauf mit der Kamera auf alles, was sich bewegt. Dann kamen bandwurmartig die Daily Soaps aus dem Innersten entmenschter Drehbuchautoren. Als nächstes Nachmittags-Talkshows, wo Menschen öffentlich über Themen sprechen, die unsereins nicht einmal auf dem Klo andenkt. Und seit einiger Zeit bestimmen die Nachrichtensimulationen der Boulevardmagazine die vorabendliche Zapping-Runde.

Ob privat oder öffentlich-rechtlich, der Unterschied gibt nur mehr Nuancen der Skrupellosigkeit an. Trash-TV heißt das heute, Müll- Fernsehen. Seit einer einschlägigen Studie der NRW-Medienanstalt LfR kann man auch etwas vornehmeres Medienwissenschaftlerdeutsch benutzen und von „Affektfernsehen“ sprechen. Begriffe, gegen die sich auch die Macher des Mülls nicht wehren, wie auf einer Diskussion der Münchner Medientage deutlich wurde. Abgesehen vielleicht von ARD-Programmdirektor Günther Struve, der meint, „Fliege“ sei nicht Affekt-, sondern „Emotionsfernsehen“. Den Unterschied konnte er aber auch nicht erklären.

Jedenfalls bringt das Ganze Quoten. Warum nur? Harry Goering, noch RTL 2-Programmchef erklärt: Kleine Sender wie der seine, und anfangs auch die Kommerzkanäle der ersten Generation, brauchen Aufmerksamkeit. Diesen Effekt bekommen sie durch teure Werbung. Oder eben durch kontroverse Inhalte, die sie billig produzieren können. „Jeder Fernsehmacher hat uns von ,Peep‘ abgeraten“, berichtet Goering, „aber wir haben darauf gesetzt, daß die optischen Reize der Moderatorin gewisse Schwächen überspielen, gepaart mit der Medienaufmersamkeit, die wir durch dieses Format erfahren.“

Mal ganz abgesehen davon, wer sich hier mit wem paart – die Rechnung scheint aufzugehen, und jedesmal, wenn jemand schreibt, wie doof bzw. wie erfrischend die „Kultfigur“ Feldbusch sei, tut er Goerings RTL 2 einen Gefallen. Am Ende betreiben Journalisten mit ihrer ritualisierten Aufregung über immer bizarrere Sexthemen kostenlose PR.

Überdies scheinen sich die Sendungen auch noch von dem zu unterscheiden, was über sie geschrieben wird. Der LfR-Studie zufolge wird in Talkshows bei weitem nicht soviel über Sex gesprochen wie beispielsweise über Familie. Geht es um Sex, gucken zudem auch nicht mehr Zuschauer als beim Thema Hämorrhoiden. Warum finden 130 Stunden Geschwätz pro Woche ihre Zuschauer? Jedenfalls nicht, weil sie dran glauben. Nach einer Forsa-Umfrage hat die Mehrheit der Zuschauer erhebliche Zweifel am Wahrheitsgehalt dessen, was sich da täglich vom Bildschirm in ihr Wohnzimmer ergießt. Wichtig ist nicht, daß es wahr ist, sondern daß es unterhaltsam ist. Eine Frage der Identifikation mit den Protagonisten: „Oh Gott, zum Glück bin ich nicht so wie der Typ, der sich bei Vera am Mittag in Windeln präsentiert“, möchte man sagen. Oder: „Ach ja, mein Mann wäscht sich auch nie. Ich bin nicht alleine.“ Es könnten auch Schauspieler dasitzen.

Ein Blick nach Italien, in Sachen Fernsehtrash Pioniernation, zeigt, daß die Zuschauer auch irgendwann gesättigt sind. „Vieles spricht dafür, daß die aus dem Konkurrenzkampf hervorgegangenen Formen und Formeln abgenutzt sind“, so die Journalistin Birgit Rauen. Schon wird ein allgemeiner Publikumsschwund in Millionenhöhe registriert, von welchem vor allem die trashigen Berlusconi- Sender betroffen sind. Wo ist es hin, das Fernsehvolk? Der Quotenerheber Auditel macht den milden Winter verantwortlich, andere meinen, vermehrte Kino-, Museums- und Restaurantbesuche seien der Grund. Vielleicht ist den Italienern das Programm schließlich auch einfach zu dumm geworden. Stefan Kuzmany