: Bundesländer wollen sozialeres Postgesetz für alle
■ Bundesrat schickt das Gesetz über die Liberalisierung der Post in den Vermittlungsausschuß
Berlin (taz) – Gar kein Gesetz scheint dem Bundesrat besser zu sein als das vom Bundestag in der vergangenen Woche verabschiedete. Das nach Willen der Regierung zum 1. Januar 1998 in Kraft tretende Postgesetz haben die Länder gestern mit großer Mehrheit in den Vermittlungsausschuß geschickt. Der muß sich beeilen, will er noch bis zum 31. Dezember einen Kompromiß über die Liberalisierung der Post erzielen.
Denn in jeder Hinsicht unsozial sehen die Länder – ebenso wie die SPD – das von CDU/CSU und FDP langwierig verhandelte Postgesetz. Das sieht vor, daß die Gelbe Post ab 1. Januar nur noch fünf Jahre ein Monopol über die Beförderung von Briefen bis 100 Gramm hat. Alle schwereren Briefe dürfen dann auch Privatunternehmen befördern, ebenso wie die Privaten bereits die lukrative Infopost zustellen dürfen.
Briefträger loszuschicken lohnt sich jedoch nur in Großstädten und nicht auf dem weiten Land. Die Deutsche Post AG ist allerdings laut Bundesverfassungsgericht verpflichtet, flächendeckend Briefe einzusammeln und sie andernorts wieder auszuteilen.
Die Länder fürchten nun, „daß eventuelle Preissenkungen und Leistungsverbesserungen in den Ballungsgebieten und für große Geschäftskunden erkauft werden müssen durch Leistungsverschlechterungen und Preissteigerungen bei Privatkunden und kleineren Unternehmen, insbesondere außerhalb der Ballungsgebiete“, wie Niedersachsens Wirtschaftsminister Peter Fischer (SPD) gestern im Bundesrat sagte. Zudem sieht er durch den angestrebten und durchaus begrüßten Wettbewerb „einen Wettbewerb im Sozialdumping“. Die Post müsse Zehntausende von Mitarbeitern entlassen, um dem Kostendruck standzuhalten. Die könnten dann zwar bei den privaten Zustellern einen Job finden. Die Mehrheit werde jedoch allenfalls einen 610-Mark-Job erhalten.
Insbesondere die SPD fordert daher Sozialklauseln im Postgesetz. Private sollen verpflichtet werden, „ordentliche Verträge mit ihren Beschäftigten abzuschließen“, sagt Hans Martin Bury, Postexperte der SPD-Fraktion im Bundestag. Außerdem soll die Post AG ein „hochwertiger Universaldienst bleiben“. Bury glaubt, daß die Verhandlungen im Vermittlungsausschuß „sehr, sehr schwierig werden“. Aber aus Sicht der Länder und der SPD ist gar kein Gesetz besser als das geplante. Dann nämlich gilt ab dem 1.Januar nur das allgemeine Wettbewerbsrecht. Und auf einen derart unsicheren Zustand ohne spezifische Rechte wird sich die private Konkurrenz nicht einlassen. ufo
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