VHS als GmbH?: Leben mit McKinsey
■ Folgen einer Umdefinition der Politik zu einem Wirtschaftszweig für die VHS
Verdammt schnell ist sie! Gerade mal einen Tag, nachdem McKinsey erste Vorschläge für eine Strukturreform dem Senat vorgestellt hat und damit mächtig für Verunsicherung bei Angestellten, vor allem aber Beamten sorgte, schreitet Carmen Emigholz, kulturpolitische Sprecherin der SPD-Bürgerschaftsfraktion, zur Schockbekämpfung. Die Konsequenzen einer Ökonomisierung des Politischen, wie sie McKinsey fordert, sollen mit den Betroffenen der unterschiedlichsten kulturellen Einrichtungen nach und nach durchdiskutiert werden.
Den Anfang machte die Volkshochschule. KursleiterInnen und Verwaltungspersonal waren geladen zum Formulieren ihrer – sagen wir's ruhig – Existenzängste. Um hilfloses Spekulieren im luftleeren Raum zu vermeiden, waren die VolkshochschulleiterInnen von Reutlingen und Kiel sowie der Kulturdezernent von Wuppertal zur Berichterstattung geladen. Deren VHSen haben einschneidende Strukturreformen nämlich schon hinter sich. „Treiben wir ein bißchen Benchmarking“, hieß es schmunzelnd beim Erfahrungsaustausch. Überhaupt machen sich die leitenden Beamten mit erfrischender Häme über die aufplusternde Terminologie der Unternehmensberater her: Noch immer seien die Umstellungsschwierigkeiten nicht behoben, meinte Theodor Jüchter aus Wuppertal. „Aber das macht gar nichts. Dafür haben wir schließlich KVB, das heißt kontinuierliche Verbesserung.“
Trotz gebührenden Spotts waren alle drei Gäste von ihren je unterschiedlichen Strukturreformen begeistert. Der heikle Deal zwischen den Städten und ihren VHSen lautet im Kern: mehr Freiheit, dafür gegebenenfalls weniger Geld.
Egal ob nun als GmbH (Reutlingen), „Stadtbetrieb Weiterbildung“(Wuppertal) oder „Pilotamt“(Kiel): die Veränderungen gleichen sich. Die VHS formuliert für ein, respektive fünf Jahre einen klar aufgeschlüsselten Aufgaben-, Ziel- und Kostenkatalog. Dementsprechend wird ein Jahresbudget zugeteilt. Innerhalb dieses Finanzrahmens hat die VHS absolute Freiheit, d.h. kann über Kursangebot, neues Personal, Plakatdruck etc. selbst bestimmen. Hans Haußmann rät allerdings gerade bei der Rechtsform GmbH für präzise durchgearbeitete Verträge. Denn manchem soll die Mutation vom leitenden Beamten zum Geschäftsführer schlecht bekommen sein: In einem plötzlichen Anfall von Managerwahn wurden angeblich in Niedersachsen 100.000 Mark teure Autos geleast. Dennoch. Die Finanzhoheit bringt Freiheiten: Kein Nörgeln des Kämmerers mehr über Kopierkosten oder den stets umstrittenen Bauchtanzkurs, kein mühseliges Beantragen von Miniprojektfinanzierungen. Gewinne können zu 50, 70 bzw. 100 Prozent einbehalten werden. Dafür muß die VHS drei bzw. zwölf Mal im Jahr schriftlichen Rechenschaftsbericht leisten. Intern bedeutet die Reorganisation eine richtige Buchhaltung .
Die Reorganisation erbrachte außerdem die nützliche Erkenntnis, daß schriftlichen Ausformulierungen von Altbekanntem geheimnisvolle, magische Kräfte innewohnen. Seit die Leistungen der VHSen nämlich Schwarz auf Weiß vorliegen, ist deren Reputation bei den Stadträten deutlich gestiegen. Will der Kämmerer an das VHS-Budget ran, dann legt ihm Jüchter die Kosten-Nutzen-Liste vor und fragt mit aller Unschuld, was der Kämmerer denn abgeschafft haben will, den Hauptschulabschluß oder vielleicht eher das interkulturelle Verständnis? Kaum wird es konkret, setzten die Streich-Hemmungen ein. Fast wie die wölfischen Beißblockaden bei dargereichter Feindeskehle.
Sachte konsterniert wurden die VHS-Leiter aber beim Großreinerechnen. Die städtischen Personalämter sahen sich angeblich nicht in der Lage, Personalkosten zusammenzuaddieren. Null Kostenüberblick. Da mußten die VHSen ernst machen mit ihrer Autarkie und selbst zum Rechenstab greifen. Spätestens an diesem Punkt ahnt man dann wirklich einen gewisse Reformbedarf bei deutschen Behörden. bk
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