■ Nachschlag: Annes Hand - und andere Körperteile im Ex 'n' Pop
Die Karten auf den Tisch: „Labormitteilungen“ Foto: promo
Die letzten Worte einer der ersten Beiträge verwehten gerade, Wolfgang und Bettina wollten ficken, weil sonst irgendwie nichts zu tun war und es mit Wolfgangs Job beim Fernsehen nicht geklappt hat. Die „Labormitteilungen“ am Freitag abend im Ex 'n' Pop, dem legendären Treffpunkt adoleszenter Komasäufer mit Hang zum Höheren, hatte extrem pünktlich angefangen, denn die jungen Dichterfürsten, die Ausschnitte aus ihren Werken zum besten gaben, hatten viel mitzuteilen. Claudius Hagemeister zum Beispiel. In seinen Memoiren geht er hart mit dem bourgeois verseuchten „Baden-Baden Sodem“ ins Gericht. Schon die Trinkhallen dort gleichen Palästen, erst recht im Vergleich zu Berlin, das zu einer Stätte proletenhafter Wahrhaftigkeit stilisiert wird. Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten zwischen beiden Städten, Postämter und so was. Hagemeister seilte eine ambitionierte Satzsäule nach der anderen ab.
Am Ende gab er ein Foto von sich rum. Roland Oelfe läßt seinen Cotta „Kneipengeschichten“ erleben. Saufen und Weiber ohne Ende, er kriegt einen geblasen oder darf „die gesunde Größe ihrer Brüste massieren“, aber zum Geschlechtsverkehr kommt es nicht, sonst gäb's keine Geschichte. Sönke Neuwöhner schickt Wachmann Lorenz Sand mit dem Journalisten Nickel, einem „rotgeschopften Wicht“, auf Streife. Sie machen einiges mit, auf dem Tempelhofer Damm und miteinander, denn Sand ist ein Idiot und Nickel ein Depp. Neuwöhner wütet durch seinen Text, wörtliche Rede agitierend wie ein Schauspielschüler, aber Himmel, Fleiß allein bringt's auch nicht. Die Schilderungen seiner Hauptfiguren und etwa der „ungefähr 50jährigen blondierten Frau“ sind so ressentimentgeladen und voreingenommen, daß sie nur tot auf dem Papier stehen.
Wolfgang Hogekamp, der Alterspräsident der Veranstaltung, kommt noch mal auf die Bühne und nuschelt was von sommerlicher Abendsonne auf einem Balkon ins Mikrofon. Anne und ihr Mann sitzen dort stumm beieinander. Anne „legt ihre Hand auf seine Hand. Da liegt sie dann so.“ Im Anschluß an die „Labormitteilungen“ gab es das 15. der 17 Konzerte, die die „17 Hippies“ an verschiedenen Plätzen in Berlin gegeben hatten. Da war es so voll, daß man sein Getränk nicht mehr zum Mund führen konnte. Katrin Schings
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