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Das Zünglein an der Waage Von Sotscheck, Ringel & Rönneburg

Der Mecklenburger Schriftsteller Peter Wawerzinek will Journalist werden. Zu diesem Zweck hat er sich ein Spezialgebiet ausgesucht und taucht mit neun Lesbenbüchern und Harry Hass am taz- Stand auf der Frankfurter Buchmesse auf. Dort kommen ihm Bedenken: „Oder sind Journalisten in der Rangordnung tiefer als Schriftsteller angesiedelt?“ Nein, denn Journalisten leisten Beachtliches: Der Redakteur Rayk Wieland soll ein Radio-Interview in der Bundesbank machen – um 10 Uhr morgens, nach der Titanic-Party. Sehr betrunken, mit einer drei Meter langen Fahne, betritt er das Gebäude. Was Wieland nicht weiß: Er soll den Direktor der Bundesbank interviewen. Ihn retten eine Packung „Tic Tac“ (Pfefferminz, 40er- Packung) zum Frühstück und eiserne Konzentration.

Ja, diese Titanic-Party, heuer in einer kleinen, feinen Galerie, zentrumsnah gelegen. Wie üblich sorgen dezente Musik, bequeme Sessel und gedämpfte Beleuchtung für eine einzigartige Atmosphäre, in der die wohl schönsten, intelligentesten und druckreifsten Gespräche der gesamten Veranstaltung geführt werden. Mit einer oder, um genau zu sein, zwei Ausnahmen: Judy und die Norwegerin. Zwei tobende Partyschranzen, von denen die eine verwirrende Dinge über den Einfluß der Kultur auf, äh ... die Kultur (Joghurtkulturen?) mitzuteilen hat; die andere aber den anwesenden Männern zur Begrüßung ihre „Zunge bis in den Darm steckt“ (G. Henschel, Sternzeichen Waage). Als sie M. Ringel als nächstes Zungenkußbegrüßungsopfer auserkoren hat, vollzieht der ein geschicktes Ausweichmanöver und treibt Madame – durch einen Hüftschwung – geradewegs TOM in die Arme, der sich seitdem mit gehässigen Ringel-Karikaturen rächt.

Als seine eigene Karikatur tritt wieder einmal der geborene Tycoon und Titanic-Verleger Erik Weihönig auf, der schon als Kind einen Sandkasten besaß und die Körner an seine Spielkameraden verhökerte. Weihönig stellt die alles entscheidende Frage: „Unter uns Männern – wie hoch ist ein Stapel Tausender in einer Million?“

„Schön hoch“, mutmaßt C. Rönneburg, die nämlich mit einer ganz anderen Rechnung beschäftigt ist: „Wie viele anständig honorierte Wahrheit-Seiten könnte man mit dem Lapsus eines Focus- Redakteurs finanzieren, der nach eigenem Bekunden bei „Recherchen“ mal eben 170.000 Mark verschleudert hatte und dennoch im Amt blieb? Was wäre, wenn Focus-Redakteure ordentlicher arbeiten und ihre Das-kann-schon- einmal-passieren-Kasse der Wahrheit überließen.

Es gibt auch nüchterne Stimmen: Die Fit for fun-Autorin C. Gottschall, eine Frau, die vier Jacken und einen Pullover trägt, erklärt eindringlich den Unterschied zwischen Männern und Frauen, der durch die Thermoregulation entstehe. Bei Frauen sei die Körperwärme in der Mitte, und deshalb habe sie kalte Füße und Hände. Kalte Füße muß auch Frau Unseld bekommen haben, als sie am Tag drauf in Halle 6 die Durchsage hört: „Frau Unseld, bitte dringend auf die Polizeistation.“ Hat ein Suhrkamp-Autor den Verleger verprügelt? War das alljährliche Würstchenessen mit Harry Rowohlt wieder so schön? Und wie ging eigentlich der diesjährige Bauch-Wettbewerb am taz-Stand aus? Nächste Woche mehr.

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