: Bundesbank fordert höhere Löhne
■ Allerdings soll dies nicht durch höhere Tarife erreicht werden. Vielmehr fordert die Bundesbank deutlich niedrigere Steuern
Frankfurt/Berlin (dpa/taz) – Die Kritik der Bundesbank an der Regierung hat Tradition. Monat für Monat suchen sich die deutschen Währungshüter ein Thema aus der Wirtschafts- und Finanzpolitik des Kabinetts Kohl heraus und bewerten die Auswirkungen anhand ihres Zahlenkonvoluts. Im aktuellen Oktober-Bericht durchleuchten die Bundesbanker den Arbeitsmarkt.
Die Arbeitnehmer in Deutschland bräuchten demnach höhere Nettoeinkommen, um die Binnenkonjunktur zu stärken. Die Bundesbank fordert die Bonner Parteien auf, den „Steuer- und Abgabenkeil“ zwischen Brutto- und Nettoentgelt „nachhaltig und substantiell zu verringern“. Mehr Geld in den Taschen der Arbeitenden dürfe allerdings nicht durch höhere Tarife erreicht werden. Der Forderung des IG-Metall- Chefs Klaus Zwickel nach deutlich höheren Tariflöhnen weist die Bundesbank zurück.
Die Tarifparteien sollten vielmehr weiterhin für eine „moderate Lohnentwicklung über mehrere Jahre hinweg sorgen“. Eine dauerhafte Stärkung der Massenkaufkraft lasse sich nicht am Verhandlungstisch verordnen. Dies müsse über eine Zunahme wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze gelingen. Die 1993 in Westdeutschland eingeleitete Neuorientierung der Lohnpolitik habe die Voraussetzungen für neue und rentable Arbeitsplätze zunehmend verbessert. Die Bundesregierung hat diese positiven Effekte jedoch wieder zunichte gemacht, da sie die Beiträge zur Sozialversicherung ständig angehoben hat.
Die Brutto- und Nettoeinkommen klaffen immer weiter auseinander, analysieren die Bundesbanker. „Betrugen die Nettoverdienste 1991 noch 55,8 Prozent der Bruttoeinkommen, so waren es 1996 nur noch 52,5 Prozent.“ Zugleich erhöhten sich die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung von 18,5 auf 19,8 Prozent.
Besonders negativ sei die Einkommensentwicklung im Osten. Während die tatsächlich gezahlten Löhne und Gehälter in ganz Deutschland von 1991 bis 1996 durchschnittlich um 4,5 Prozent zunahmen, stiegen die Verdienste im Osten allein von 1993 bis 1996 um 34 Prozent. Aufgrund der geringeren Einkommensteuer seien die Nettoeinkommen bis Ende 1996 bereits auf 84 (1991: 55) Prozent des Westniveaus herangekommen. Dies sei allerdings mit einem massiven Arbeitsplatzabbau im Osten erkauft worden, weil die Löhne der Produktivität „erheblich vorausgeeilt sind“.
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