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Ein Paar setzt auf Harmonie

Auf dem Innovationskongreß der SPD wichen Parteichef Oskar Lafontaine und Kanzleraspirant Gerhard Schröder Fragen nach Unterschieden beharrlich aus  ■ Aus Dortmund Markus Franz

Es war der schönste Versprecher des Tages, wenn es denn einer war. Als Gerhard Schröder auf dem Innovationskongreß der SPD in Dortmund gefragt wurde, mit welchen konkreten Vorstellungen zur Steuerpolitik die Sozialdemokraten in den Bundestagswahlkampf 1998 ziehen werden, antwortete er: „In meinem Wahlprogramm würde ich...“

Noch ist Gerhard Schröder nicht Kanzlerkandidat der SPD. Auf dem gestrigen Kongreß mit dem Titel „Politikwechsel in Deutschland. Innovation und Gerechtigkeit“ zeigten sich die Schwächen des dualen SPD-Systems mit Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder als potentielle Kanzlerkandidaten. Bei einer Podiumsdiskussion mit Lafontaine, Schröder und EU-Kommissarin Monika Wulff-Matthies über „Neue Arbeitsplätze für Deutschland“ konzentrierten sich die Fragen der Journalisten darauf, die Unterschiede zwischen Lafontaine und Schröder zu verdeutlichen: „Herr Schröder, sind Sie nicht im Gegensatz zu Herrn Lafontaine gegen die Ausbildungsplatzabgabe? Herr Lafontaine, was sagt Herr Schröder wohl zu der von Ihnen vorgeschlagenen Arbeitszeitverkürzung? Herr Schröder, was halten Sie davon, daß Herr Lafontaine eine Mindeststeuer einführen will?“ Beide Kandidaten wichen aus. Lafontaine beantwortete Fragen nach den Unterschieden nicht inhaltlich, sondern mit den Worten: „Es wird Ihnen nicht gelingen, uns auseinanderzudividieren. Wir packen das nur zusammen und nicht gegeneinander.“

Diesen Grundsatz beherzigte Lafontaine auch bei seiner Rede. Als Mann, dessen unbestrittener Verdienst es ist, die Partei geeint zu haben, durfte Lafontaine nicht ausgerechnet den möglichen SPD- Kanzlerkandidaten düpieren. War seine Rede deshalb so leidenschaftslos? Hielt er deshalb eine Rede, die nach Ansicht der SPD- Delegierten „wenig mitreißend“ war, in der „nichts Falsches gesagt wurde“, die, begleitet von einem Augenzwinkern, „doch schön“ war? „Halt dich an dein Redemanuskript“, war Oskar Lafontaine vorsichtshalber eingeschärft worden.

Lafontaine ließ die Streitpunkte Verkürzung der Wochenarbeitszeit und Einführung der Mindeststeuer aus. Eins seiner Lieblingsthemen, die internationale Harmonisierung von Steuern und Abgaben, um den Kostensenkungswettlauf zu unterbinden, vernachlässigte er. Schröder hält davon bekanntermaßen nichts. Die Ökosteuer, die Automann Schröder ablehnt, erwähnte Lafontaine mit zwei allgemein gehaltenen Sätzen, wo doch gerade in diesem Bereich eine Profilierung der SPD gegenüber der Koalition möglich wäre.

Im Gegensatz zu den Jungsozialisten, die am Abend zuvor das Ziel der Vollbeschäftigung ausgegeben hatten, beschränkte sich Parteichef Lafontaine darauf, die „Massenarbeitslosigkeit aus der Gesellschaft verbannen“ zu wollen. Schröder konkretisierte das später mit den Worten: „Ich bin schon glücklich, wenn es uns gelingt, den Anstieg der Massenarbeitslosigkeit zu stoppen.“

Für einen neuen Zungenschlag, den man eher vom Niedersachsen Schröder erwartet hätte, sorgte der Saarländer Lafontaine mit der Forderung nach mehr Eigenverantwortlichkeit. „Jeder ist zunächst einmal selbst verantwortlich, sein Leben zu planen, zu gestalten, zu sichern.“ Seine Folgerung daraus für die Modernisierung des Sozialstaates: „Wir wollen mehr Zielgenauigkeit bei den sozialen Transfers.“

Gerhard Schröder lobte denn auch gönnerhaft Lafontaines Rede: „Die Botschaft, daß wir die Wirtschaft modernisieren wollen, wäre vor einigen Jahren so noch nicht drin gewesen.“

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