: Stolpernd in die Zukunft
■ Die SPD will sich als innovative Veränderungskraft präsentieren
Am Anfang stand ein Versprechen von Johannes Rau. Danach sollte der SPD-Innovationskongreß in Dortmund dazu dienen, den Menschen „klar und deutlich zu sagen, womit sie rechnen können, wenn sie uns ihr Vertrauen schenken“. Heraus kam fast das Gegenteil. Nur auf der Schlagwortebene herrscht Klarheit. Danach betrachtet die SPD „Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit“ als ihre „Leitidee“ und will „Menschenwürde, Wohlstand und soziale Sicherung für alle“ gewährleisten. So die frommen Wünsche des Oskar Lafontaine.
Mit welchen Instrumenten die stoffliche Basis für dieses Paradies zu schaffen ist, blieb dagegen nebulös. Diese Zurückhaltung hat Methode, denn im Kern weiß die Partei noch gar nicht, was sie will. Auch Lafontaines Ankündigung, es gehe jetzt um Innovationen, die der Industrie neue langfristige Perspektiven „in der Bio-, Gentechnologie und im Bereich der ökologischen Modernisierung“ eröffnen, vermag den Nebel nicht zu lichten.
Das Neue traut sich die Partei immer noch nicht zu. Weder bei der Ökosteuerreform — von der kaum mehr als eine minimale Benzinsteuererhöhung übrig zu bleiben scheint — noch bei einer aktiven Verkehrsvermeidungspolitik. Auch Lafontaines Ankündigung, man wolle jetzt die „Brücke ins Solarzeitalter bauen“, klingt nicht gerade glaubwürdig. Vor allem deshalb nicht, weil zur selben Zeit führende SPDler in NRW mit allen Mitteln den Ausbau des Braunkohletagebaus Garzweiler II durchzuboxen suchen. Diesen Konflikt, bei dem es um eine Weichenstellung geht, wagte in Dortmund keiner aus der ersten Reihe anzusprechen.
Hermann Scheer, Vorsitzender des SPD-Umweltforums, durfte zwar für eine Politik zur Ablösung fossiler Energieträger werben, aber gleichzeitig herrschte zu dem mit diesem Ziel nicht kompatiblen Garzweiler-Projekt großes Schweigen. Einer selbsternannten Reformkraft darf man eine solche Verdrängung nicht durchgehen lassen. Hier ist Klarheit vor der Wahl ebenso angesagt wie etwa bei der Ausbildungszwangsabgabe, von der der potentielle Kanzlerkandidat Schröder nach wie vor nichts wissen will. Wer zu diesen Widersprüchen schweigt, nimmt in Kauf, daß die Hoffnung beim Publikum, mit einem möglichen Regierungswechsel sei auch ein Politikwechsel verbunden, schwindet. So treibt man die Leute in die Wahlenthaltung. Walter Jakobs
Bericht Seite 2
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