piwik no script img

Für Beamte weihnachtet es weiterhin

■ Heute treffen sich die Finanzminister der Länder in Bonn, um über Kürzungen bei der Beamtenbesoldung zu beraten. Spekulationen um eine für dieses Jahr geltende Senkung des Weihnachtsgeldes auf Ostniveau

Berlin (taz) – Die Aufregung kam ebenso prompt wie die Dementis. Als am Wochenende eine Nachrichtenagentur über die Kürzung des Weihnachtsgeldes für die rund 1,8 Millionen Beamten berichtete, trieb es Minister und Interessenvertreter gleichermaßen vor die Mikrophone.

Von einer „Strafaktion gegen die Ausputzer der Nation“ sprach in routinierter Erregung der Präsident des Deutschen Beamtenbundes, Erhard Geyer, und Bayerns Finanzminister Erwin Huber, dessen CSU 1998 eine Wahl zu verlieren hat, wiegelte ebenso ab wie der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD).

So wird, wenn heute die Finanzminister der Länder in Bonn zusammenkommen, die ins Gespräch gebrachte Kürzung des Weihnachtsgeldes von 93 Prozent eines Monatslohnes auf das Ostniveau von 70 Prozent zwar beraten, aber keinesfalls zur Beschlußfassung anstehen. Das sei, so versicherte das thüringische Finanzministerium, dessen oberster Dienstherr die heutige Sitzung leitet, schon allein aus technisch-gesetzlichen Gründen für 1997 gar nicht mehr möglich. Die Beamtenbesoldung wird per Bundesgesetz von Bund und Ländern gemeinsam geregelt.

Auch andere Vorschläge – unter anderem die Herabsetzung der Eingangsbesoldung bei Lehrern von Grund-, Haupt- und Realschulen, die Verrechnung des Familienzuschlags mit dem Einkommen des Ehegatten, Wegfall einer Ausgleichszahlung für Polizisten, Feuerwehrleute, Strafvollzugsbeamte und Fluglotsen bei vorzeitiger Pensionierung – werden die Minister heute allenfalls beraten. Ihr Gestaltungsraum ist begrenzt: Wie beim Weihnachtsgeld sind die Eingangsbesoldungen und viele Zulagen im Bundesgesetz geregelt.

Die jetzt wieder entflammte Debatte ist keineswegs neu. Leistungsstarke oder -schwache Länder stöhnen gleichermaßen wegen der von Jahr zu Jahr steigenden Zahlungen an die Landesbediensteten und Pensionäre. In Hessen beispielsweise werden aus dem Haushalt des kommenden Jahres 13,2 Milliarden Mark an Beamte und Pensionäre fließen – das ist fast jede zweite Mark. Im Sommer zog daher eine Staatssekretärsrunde in Wiesbaden eine ernüchternde Bilanz. Entweder werde bei der Besoldung gekürzt, oder es drohe die Streichung von 33.000 Stellen. Einer ihrer Vorschläge: Die Beihilfeleistungen im Krankheitsfall für Beamte auf das Niveau der gesetzlichen Krankenkassen abzusenken. Sparvolumen: 50 Millionen Mark.

In eine ähnliche Richtung geht seit dieser Woche Berlins Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing (SPD). Sie kündigte am Dienstag an, daß sich Beamte je nach Besoldungsgruppe mit 200 bis 250 Mark pro Jahr an den Beihilfekosten beteiligen sollen. Auch Wahlleistungen wie ein Einzelzimmer in einem Krankenhaus werden künftig nicht mehr bezahlt. Wegen diverser Ausnahmeregelungen für ältere Beamte und Schwerstbehinderte und einer längeren Übergangsfrist ist die Sparsumme jedoch eher gering und wird auf weniger als zehn Millionen Mark pro Jahr geschätzt. Die Berliner SPD in der Großen Koalition, die zusammen mit der CDU einen Haushalt am Rande des Kollaps' führen muß, hat wenig Skrupel, sich mit den Beamten anzulegen. So schlugen Fugmann-Heesing und SPD-Fraktionschef Klaus Böger Ende August vor, das Weihnachtsgeld für die Angestellten des öffentlichen Dienstes und das der Beamten auf 4.000 Mark zu begrenzen. Derartige Vorstellungen werden beim Koalitionspartner CDU mit Zurückhaltung aufgenommen. Innensenator Jörg Schönbohm verwies, was die Selbstbeteiligung der Berliner Beamten im Krankheitsfall angeht, auf eine anhängige Verfassungsklage. Beim Weihnachtsgeld fand er sich in einer Front mit Bayerns Finanzminister Huber und Rheinland-Pfalz' Ministerpräsident Beck: Ein „Sonderopfer“ der Beamten dürfe es nicht geben. Severin Weiland

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen