: Schlösser für alle
■ Zweibettzimmer statt Schlafsäle: Das Winternotprogramm für Obdachlose
Winter ist, wenn ein Mann zur U-Bahn kommt und fragt, ob jemand mitfahren möchte. Nach Neumühlen, zu den Schiffen, ins Bett. Gestern hat Hamburgs Sozialbehörde diese Art Winter ausgerufen. Am 1. November startet sie ihr Notprogramm für Obdachlose: Jeden Abend holen Busse des Caritas-Verbandes Wohnungslose am Hauptbahnhof ab und bringen sie in die Notquartiere, zu einem der 270 Schlafplätze. 160 Betten harren auf den Schiffen in Neumühlen der Frierenden. Weitere 110 Menschen haben Platz in Wohncontainern.
Damit bietet das Programm Wärme für rund ein Sechstel der 1204 Hamburger Obdachlosen. „Außer zu Spitzenzeiten hat das Angebot im vergangenen Jahr ausgereicht“, sagt Peter Ogon. Er arbeitet in der Tagesstätte für Wohnungslose an der Bundesstraße. Spitzenzeiten, das waren 1996 die klirrend kalten Nächte zwischen Weihnachten und Neujahr. Damals reichten die Container nicht. Wohnungslose mußten in Sammelunterkünften schlafen. Oft fürchteten sie, bestohlen zu werden.
Damit soll nun Schluß sein. „Für diese Schränke gibt es Vorhängeschlösser“, verkündete Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel (SPD) gestern in Neumühlen, zupfte am Scharnier einer Schranktür und erklärte den Abschied vom Schlafsaal-Prinzip. Viele Zwei- oder Dreibettzimmer sind im Angebot. Die Obdachlosen können ihren Wohncontainer als festen Wohnsitz angeben, und auf den Schiffen erscheint morgens ein Sozialarbeiter. Er soll den Obdachlosen helfen, wieder eine Wohnung zu suchen.
Doch praktische Probleme bleiben: Wie kommen die Wohnungslosen von den Schiffen zurück in die Stadt? Und wo sollen die HundebesitzerInnen schlafen? Tiere sind in den Notunterkünften unerwünscht, und viele Menschen wollen ihren Hund nicht über Nacht ins Heim bringen, berichtet Peter Ogon. „Darüber müßte man noch nachdenken.“Und darüber, warum die Stadt ein Winterprogramm braucht: „Es müßte das ganze Jahr hindurch Unterkünfte geben, die so gut angenommen werden wie die Container. Ein Notprogramm muß unnötig werden.“ Judith Weber
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