: Redakteur verriet seine Informanten der Kripo
■ Polizeipräsident hatte Erfolg beim Weser Kurier
Es war ein unangenehmer Brief, den Polizeipräsident Rolf Lüken am 25. Oktober 1995 an den ehemaligen Innenstaatsrat Hans-Georg von Bock und Polach schreiben mußte. „Veröffentlichungen in Sachen Justizvollzugsanstalten“, diktierte Lüken ins Betreff. Er mußte einräumen, daß in seiner Behörde die undichte Stelle war, aus der brisante Informationen an die Presse gegangen waren.
Einen Monat zuvor hatte der Weser Kurier über die hochbrisanten Ergebnisse der Ermittlungen der Kripo im Knast berichtet. Die Beamten hatten u.a. die laxe Handhabe von Drogenfunden in dem Gefängnis aufgedeckt. Doch die Kripo mußte ihre Arbeit einstellen. Der Ermittlungsbericht, von dem nur drei Originale mit unterschiedlichen Kennzeichnungen existierten, wurde mit einem Vermerk versehen: „VS-NfD“(Verschlußsache - Nur für Dienstgebrauch).
In Polizeikreisen gab es Verärgerung darüber, daß die Ermittlungen gestoppt wurden. Der VS-NfD-Bericht fand den Weg zum Weser Kurier – streng vertraulich, versteht sich. Informanten riskieren ihren Job, sie müssen sich auf Diskretion verlassen können. Deshalb ist der Informantenschutz das oberste Gebot eines jeden Journalisten. Selbst vor Gericht müssen Journalisten ihre Informanten nicht verraten; sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern.
Schon einen Tag nach der Veröffentlichung im Weser Kurier beauftragte Lüken die Innenrevision, die „undichte Stelle“zu finden. Ein Strafverfahren wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses wurde eingeleitet. Die Kripo schaltete einen V-Mann ein, der für seine guten Kontakte zur Presse bekannt ist. Der V-Mann soll den Bericht besorgen und den Journalisten dazu bewegen, gegen alle Regeln von Informantenschutz und Redaktionsgeheimnis zu verstoßen. Der V-Mann hat ungewöhnlichen Erfolg: Der Weser Kurier-Journalist K. gibt ihm die Kopien des Kripo-Berichts.
Anhand der Kennung konnte der Polizeipräsident feststellen, daß es sich um Kopien des Exemplars handelte, das an die Abteilungsleiter gegangen war. Die Innenrevision kann den Informanten einkreisen, nicht aber dingfest machen. Die verdächtigten Polizisten werden vorgeladen. Sie streiten ab, den Bericht an den Weser Kurier gegeben zu haben. Aus gutem Grund: Der Verrat von Dienstgeheimnissen wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe geahndet. Je nach Ausgang des Disziplinarverfahrens kann der Beamte sogar entlassen werden.
Der Redakteur K. gibt derweil noch mehr Unterlagen raus. Der V-Mann arrangiert zwischen dem Redakteur und einem Kripobeamten ein vertrauliches Treffen. Bei dem Gespräch geht es um den Austausch von Informationen. Der Redakteur überläßt dem Beamten eine Mappe mit Papieren, darunter eine Kopie der Vorlage für die Justizdeputation nebst Anlage, dem vertraulichen Kripo-Bericht, die Kopie einer Synopse zu der Vorlage und die Kopie eines Schreibens des Leitenden Oberstaatsanwalts. Auch diese Unterlagen gehen direkt an die Innenrevision des Polizeipräsidenten. Anhand dieser Unterlagen stellt Lüken fest, daß es auch eine „undichte Stelle“im Justizressort geben mußte.
Als der Redakteur K. Anfang dieser Woche erfährt, daß die taz von dem damaligen Informanten-Verrat Kenntnis bekommen hatte, bestreitet er zunächst vehement, jemals Unterlagen an die Kripo gegeben zu haben. Erst als er einen Tag später mit dem Wortlaut des Briefes konfrontiert wird, räumt er ein, der Kripo Papiere gegeben zu haben. „Aber das waren nur Unterlagen, die ich sowieso von der Pressestelle der Kripo hatte.“Er hätte damals mit Hilfe der Kripo recherchieren wollen, warum die Beamten ihre Ermittlungen im Knast einstellen mußten. Durch sein Entgegenkommen hätte er sich weitere Informationen erhofft. Daß der V-Mann für die Kripo arbeiten würde, habe er nicht gewußt. Er habe den Mann als Informanten kennengelernt, der sich stets bemüht habe, die Mißstände im Knast aufzuklären. „Aus Dankbarkeit“habe er ihm deshalb den Kripo-Bericht gegeben. kes / K.W.
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