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So ist das bei den Bayern

Nach dem 5:1 gegen Paris St. Germain glaubt Bayerns Carsten Jancker nun, auch er sei zum Fußballgott gereift  ■ Aus München Nina Kloeckner

München (taz) – Es war noch lange nicht alles klar. Das Volk stand draußen an den Tränken Schlange, nicht sicher, ob es die Becher mit Bier oder doch lieber mit Glühwein füllen lassen sollte. Die wichtigeren Leute diskutierten auf der Haupttribüne eifrig, ob man sich schon jetzt oder erst in der zweiten Hälfte, wenn es richtig schattig wird, in die roten, kuscheligen Wolldecken einmummeln sollte. Nur auf dem Rasen schien sich zumindest die Hälfte der Akteure schon einig zu sein, worum es an diesem Abend geht. Um Tore, viele, oder auch nur eines, auf jeden Fall um einen Sieg gegen die Gäste von Paris St. Germain. Denn dann wäre den Kickern des FC Bayern München der Gruppensieg und die Teilnahme am Viertelfinale der Champions League kaum noch zu nehmen. Bayerns Stürmer Giovanne Elber hatte aus diesem Grund wieder seine extravaganten, weißen Turnschuhe geschnürt, weil es doch mit denen vergangene Saison in Stuttgart noch so gut geklappt hatte und er mit den schwarzen zuletzt kein Glück hatte.

Nach vier Minuten zeigte das magische Schuhwerk zum ersten Mal seine Wirkung. Carsten Jancker verstolperte den Ball im Strafraum so geschickt, daß er zu Kollege Elber sprang, und der ihn gemütlich im Tor unterbringen konnte. Auch sonst hatten die beiden Angreifer an diesem Abend viel Platz für ihre Experimente. Jancker sorgte in der 20. Minute für den 2:0-Pausenstand. Allerdings kickte sich der Pariser Torwart zuvor den Rückpaß eines Mitspielers so dämlich ans eigene Kinn, daß er vor Janckers Füßen landete. Damit hatte nun wirklich keiner gerechnet. „Wir haben gedacht, daß es sehr schwer wird“, sagte Elber hinterher, „aber Paris hat es uns sehr leicht gemacht.“

So ist das bei den Bayern. Sie spielen genau so gut, wie es der Gegner erfordert. Das hat ihnen Trainer Giovanni Trapattoni in zweieinhalb Jahren mühevoller Arbeit offenbar perfekt beigebracht. In der Bundesliga agieren sie oft müde und lustlos, als würden sie im Training mehr ver- als dazulernen. Dennoch haben sie erst ein einziges Mal verloren, auswärts bisher noch überhaupt nicht. Kommt ein Gegner mit internationalem Ruf, geht es plötzlich doch, das Ackern, Laufen und Kombinieren. Gegen Paris spielten sie so erfrischenden Offensivfußball, daß Trapattoni „eine der besten internationalen Partien meiner Mannschaft“ gesehen hatte und Le Figaro gar eine „bayerische Lektion“ erteilt sah. Die Abwehr wirkte wohl organisiert und ließ die Angriffe der Franzosen nur äußerst selten durch, obwohl Libero Thomas Helmer hinterher von „Schwerstarbeit“ sprach. Und vorne machten die Bayern sowieso, was sie wollten.

Zwei Minuten nach dem Wechsel konnte Jancker wieder das Ergebnis verbessern, vor allem, weil sich der gegnerische Torhüter mal wieder eine Auszeit nahm. Abwesend rollte er die Kugel nicht zu einem Mitspieler, sondern zu Elber, der sie genüßlich an seinen Sturmpartner weiterleitete. Wenig später traf Marco Simone (48.) zur Ehrenrettung für Paris, Helmer (50.) und Elber (73.) noch für die Bayern: 5:1. Danach durfte Jancker duschen gehen, und die Fans grölten ihr obligatorisches „Carsten Jancker Fußballgott“ diesmal nicht ganz unbegründet, obwohl der Gepriesene schon länger davon überzeugt ist, „daß das nicht ironisch gemeint ist“. Natürlich gab es auch an einem solchen Abend Verlierer. Die Franzosen, klar, weil sie „zwei Stunden erlebt haben, die sehr schmerzlich für uns waren“, sagte Trainer Ricardo, und sie sich jetzt „voll auf die französische Meisterschaft konzentrieren können“. Und Mehmet Scholl. Der wollte dem extra angereisten Bundestrainer Berti Vogts beweisen, daß er auf ihn nicht verzichten kann, was gründlich in die Hose ging. Nach einer Viertelstunde rutschte ihm eine perfekte Flanke von Michael Tarnat übers gegelte Haar. Sonst mühte er sich redlich, aber mit wenig Erfolg. In der zweiten Hälfte traf er zwar ins Tor, doch wurde nicht anerkannt, weil Elber zuvor einen Franzosen umgestoßen hatte. Der Brasilianer war nach dem Schlußpfiff auch nicht sonderlich zufrieden. Allerdings aus einem anderem Grund. „In meinem Vertrag steht wohl, daß ich nur zu Hause Tore schießen darf“, sagte er, „ich glaube, ich muß mal mit dem Manager reden.“ Da hat er sich nicht den schlechtesten Abend ausgesucht.

Paris St. Germain: Revault – Fournier (60. Algerino), Roche, Le Guen, Domi (46. Llacer) – Leroy, Ngotty (53. Rabesandratana), Rai, Gava – Simone, Maurice

Zuschauer: 46.000, Tore: 1:0 Elber (4.), 2:0 Jancker (20.), 3:0 Jancker (47.), 3:1 Simone (48.), 4:1 Helmer (50.), 5:1 Elber (73.)

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