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„Ein Mann zu sein war Schwerstarbeit“

Christiane Zwank kam vor 46 Jahren als Mann zur Welt. Sie wußte früh, daß sie viel lieber eine Frau wäre. Nun ist sie eine – und glücklich. Sie weiß dennoch: „Man muß sich ständig selbst finden.“ Ein Porträt  ■ von Andreas Hergeth

Schwarzer Rock, heller Pulli, blondes Haar, Brille, dezent geschminkt – ganz Frau, so sitzt sie da. Nur an den Ärmelränder schauen Haare hervor, die noch ziemlich nach Mann aussehen. „Ja, ja, die Haare verraten mich manchmal“, meint Christiane Zwank lächelnd. Dabei hat sie gar kein Problem damit, von Zeiten zu erzählen, als sie sich noch nicht Christiane nennen durfte, wollte, konnte...

Geredet, besser: gequasselt wird über das Thema Transsexualität derzeit auf allen Fernsehkanälen. Auch Zeitungslesern mußte nicht verborgen bleiben, daß es Menschen gibt, die im falschen Körper geboren wurden. Und gerade lädt eine Ausstellung mit Fotografien transsexueller Menschen ein.

Nützt dieses öffentliche Interesse den Betroffenen überhaupt? Christiane Zwank: „Ach was, nach meinen Erfahrungen werden dadurch nur die Leute angesprochen, die sowieso schon mit dem Thema in Berührung kamen, Transsexuelle kennen oder es selber sind.“

Etwas Positives an der Aufmerksamkeit kann sie aber trotzdem ausmachen: „Unsere Probleme und auch die Begriffe werden bekannter. Den Menschen wird klar, was hinter dem Wort steckt.“ Wobei auch dieser aufklärerische Aspekt zwei Seiten hat. „Von den mittäglichen Labersendungen halte ich gar nichts, da werden doch nur Klischees bedient. Viel mehr Sinn machen dokumentarische Filmberichte über einen Lebens- und Leidensweg eines transexuellen Menschen.“

Wie wäre es denn mit einem Film über ihr eigenes Leben? „Warum nicht?“ Zu erzählen gibt es mehr als genug: die kleine Christiane – halt: Damals hieß sie, er, noch Alex.

Der kleine Alex also erlebt eine ganz normale Kindheit. Nichts von schrecklichen Erlebnissen, wie sie in vielen Lebensläufen Transsexueller auftauchen. Sie hat mit ihrer Zwillingsschwester und deren Freundin gespielt und dabei ganz normal einen Rock angezogen. Niemanden hat's gestört. Mädchen sein als Kind ist noch leicht. Na ja, der kleine Pimmel paßte nicht so recht ins Bild, aber als Kind spielt das noch nicht die große Rolle.

Erste Irritationen kamen mit der Pubertät. „Es war wie ein Schlag mit dem Hammer“, erinnert sich Christiane Zwank. „Meiner Schwester wuchs der Busen, mir nicht. Dabei dachte ich, daß es bei mir genauso sein müßte.“ War es aber nicht.

Zweifel über Zweifel: Was bin ich? Ein Mann, eine Frau? Was will ich sein?

Immer wieder Träume. In ihnen war sie kein Junge mehr. Die Welt gerät aus den Fugen. Die schulischen Leistungen sacken ab. Schulpsychologen können nicht helfen. Heute weiß Christiane Zwank, daß ihr schulisches Versagen nichts als ein stummer Hilfeschrei war. Christiane konnte ihr Problem nicht benennen, aussprechen, für die andern war das Thema sowieso Tabu.

Genauso zu Hause. Christiane Zwank, die heute 46 Jahre alt ist, spricht von einem „engen Elternhaus“. Aufgewachsen ist sie im Berliner Stadtteil Zehlendorf. Da kennt jeder jeden, da tuscheln die Nachbarn gern, wenn einer aus der Rolle fällt. „Mit meinen Eltern konnte ich nicht über mich und meine Empfindungen sprechen“, sagt sie. Nach einem Moment sagt sie: „Gut, probiert habe ich es auch erst gar nicht, es war damals unvorstellbar, darüber zu reden.“ Heute haben es Transsexuelle, auch dank der Medien, leichter. „Wer heute jung ist und vor dem Problem steht, im falschen Körper zu leben“, erklärt sie, „kann über TV oder Presse erleben, daß er/sie nicht allein mit diesem Problem ist.“ Genau mit diesem Gefühl mußten Christiane Zwank und andere Transsexuelle ihrer Generation meist leben. Dabei kehrte eine Phantasie immer wieder: Ich bin eine Frau. So war nur eines sicher: Der Wunsch, „eine Frau zu sein“.

Ein langer Weg bis dahin lag vor ihr. Mit 20 die erste Nacht als Mann: „Schrecklich war es.“ Erinnerungen daran scheint sie so gut wie aus dem Gedächtnis getilgt zu haben. „Die sexuelle Rolle als Mann im Bett war für mich irgendwie... Es war Schwerstarbeit, mit meiner Freundin zu schlafen.“ Vielleicht war es einfach auch peinlich, oder besser: schmerzhaft für Christiane, zum ersten Mal zu erleben, daß sie ja eigentlich doch ein „richtiger Mann“ ist.

Andere Erlebnisse haben tiefere Spuren hinterlassen: Mit der ersten Freundin hat er kurz nach der ersten Nacht über seine Phantasien gesprochen. Doch die verstand sein Problem nicht. Trotzdem heiratete er sie, wurde aber bald geschieden. Dann ließ er sich ein zweites Mal zu einer Heirat bewegen, zeugte eine Tochter. Spielte den Familienvater perfekt. Die Bilder aus dem Fotoalbum zeigen Vater und Tochter beim Spielen oder in der Badewanne.

Warum suchte er Familienglück? War es Flucht vor sich selbst? Vor den Träumen, den Wünschen nach einem anderen Körper?

Ja. Denn Christiane Zwank wollte sich und ihren Wunsch aufgeben. Als äußeres Zeichen ließ er – sie? – sich einen Vollbart wachsen, spielte den „richtigen Mann“, auch im Betrieb. Als Küster arbeitete er in der evangelischen Kirche. Nur ab und zu, ganz heimlich, zog er sich nachts Frauenkleider an und spielte für kurze Zeit eine Rolle, die sie im „normalem“ Leben nicht spielen durfte, wollte, konnte...

Das konnte nicht lange gutgehen. Es kam zur Krise. „Ich habe mich selbst und meine Partnerin belogen“, denkt Christiane Zwank zurück. Vielleicht schämt sie sich auch, anderen – nicht nur sich selber – etwas vorgespielt zu haben, ja, vielleicht auch enttäuscht zu haben.

Fast zerbricht sie an den Anforderungen, ihren eigenen und denen der Gesellschaft. Selbstmordgedanken. Einsame Stunden auf dem Dach eines Hochhauses. Doch von einem Tag auf den anderen entschloß sich Alex, fortan Christiane zu heißen. Das war rund vor zehn Jahren, am Neujahrstag. Von einem Tag auf den andern trug er nur noch Frauenkleider, schminkte sich und unterschrieb mit dem neuen, selbstgewählten Vornamen.

Aber auch damals dachte sie immer noch, sie sei die einzige, der so etwas widerfährt. Dann berichtet der Stern über Transsexuelle. Christiane wußte: Anderen ging es wie ihr. Mehr durch Zufall und nach einer Odyssee von Doktor zu Doktor – die sich alle mit der Thematik noch nie beschäftigt hatten –, kam sie an eine Ärztin, die helfen konnte.

Glück hatte sie auch mit ihrem Arbeitgeber, der Kirche, die den Wechsel vom Mann zur Frau sofort und ohne Wenn und Aber akzeptierte.

Im Mai 1990 folgte die geschlechtsangleichende Operation. Bereut hat sie den Schritt nie. Heute ist sie glücklich und lebt als lesbische Frau mit einer Frau zusammen. Hat guten Sex und spricht auch darüber, was viele Transsexuelle nicht gerne tun.

„Ich kann einen Orgasmus erleben“, erklärt sie, „vielleicht nicht wie eine biologische Frau, aber es ist ein Orgasmus. Sex hat auch etwas mit dem Kopf und dem Partner zu tun.“ Gerade den haben viele andere Transsexuelle nicht. Und damit auch keinen Sex.

So spricht sie auch für andere, wenn sie sagt: „Man muß sich ständig selbst finden“, jeden Tag neu. Transsexuelle gehen einen langen Weg bis zum Ziel. Sie wissen: Mit den Operationen ist nicht alles gewonnen. Ihren Bartwuchs beispielsweise bekämpft Christian Zwank immer noch.

Dafür ist der Kampf gegen sich selbst, gegen die innersten Wünsche ausgestanden. Christiane Zwank ist angekommen in einem Körper, den sie sich lange gewünscht hat. Normalität also, wie sie sie zuletzt als Kind erlebt hatte.

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