: Ein AKW weniger an der Elbe
Rot-Grün in Hamburg will den Atomschrottmeiler Brunsbüttel abschalten und ein bundesweites Atomausstiegsgesetz vorbereiten. Grüne Basis befriedet ■ Aus Hamburg Silke Mertins
Das marode Atomkraftwerk Brunsbüttel soll nach dem Willen von SPD und GAL abgeschaltet werden. Darauf einigten sich beide Hamburger Parteien in ihren Koalitonsverhandlungen am Donnerstag abend. Ausschlaggebend für den Beschluß sind wirtschaftliche Gründe. Zwei Gutachten haben bereits ergeben, daß Gaskraftwerke kostengünstiger Strom produzieren können als ein AKW.
Der künftige Senat will sich diese Einschätzung von einem dritten Gutachten bestätigen lassen. Spricht auch das gegen die Wirtschaftlichkeit von Atomkraft, „werden wir die HEW auf die Umsetzung ihres Satzungsziels drängen“, sagte SPD-Landeschef Jörg Kuhbier.
Außerdem soll der Gesellschaftsvertrag mit PreussenElektra (Hannover) zum Jahre 2002 gekündigt werden. Mit der PreussenElektra zusammen betreiben die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) insgesamt vier AKWs in Hamburgs Umgebung: Brunsbüttel, Krümmel, Brokdorf auf schleswig-holsteinischem und Stade auf niedersächsischen Gebiet. Nur bei Brunsbüttel ist derzeit eine Vertragskündigung möglich, ohne zu riskieren, den Einfluß ganz zu verlieren.
Da die HEW aus finanzieller Not nur noch zur Hälfte der Stadt gehören, ist der politisch beschlossene Ausstieg rechtlich eine komplizierte Angelegenheit. Der HEW-Vorstand ist zudem nur den Aktionären verpflichtet und gilt nicht als atomkraftkritisch. „Wir haben das herausgeholt, was rauszuholen war“, sagte GAL-Vorstandssprecherin Antje Radcke. Lieber hätten die Grünen natürlich beschlossen, sofort aus allen vier Atomkraftwerken auszusteigen. Doch unter den Umständen werteten sie das Ergebnis als „großen Erfolg“.
Daß es bei der Vereinbarung auch der SPD um mehr geht als ein Lippenbekenntnis, zeigt eine ebenfalls beschlossene Bundesinitiative. Ein rot-grüner Senat will ein Atomausstiegsgesetz vorbereiten, um für den Fall eines Machtwechsels im kommenden Jahr in Bonn die AKWs abwickeln zu können. Statt Wiederaufbereitungsanlagen soll es dann nur noch Endlagerung geben, betonte Kuhbier. Mit dem Rücktritt des zur SPD-Rechten zählenden Umweltsenators Fritz Vahrenholt vor vier Wochen bekamen die sozialdemokratischen Atomkraftgegner zusätzlich Rückenwind. Ausstieg steht zwar auch schon seit Jahren im Parteiprogramm der Hamburger SPD, blieb aber bisher eine Absichtserklärung.
Ein Szenario wie Anfang der achtziger Jahre, als Bürgermeister Hans-Ulrich Klose wegen seiner AKW-kritischen Äußerungen von der Parteirechten derart malträtiert wurde, daß er seinen Hut nehmen mußte, wäre heute allerdings undenkbar. Damals ging Brunsbüttel gerade ans Netz, Brokdorf wurde gebaut und die Anti-Atom- Bewegung tobte. Tschernobyl jedoch hinterließ auch im Programm der Hamburger Sozialdemokratie seine Spuren.
Auf einer GAL-Mitgliederversammlung am selben Abend wurde der grüne Verhandlungssieg mit reichlich Applaus bedacht. Die umweltpolitischen Kröten – Elbvertiefung, Hafenerweiterung, Flughafenausbau – hatten die Partei zuvor in Aufregung versetzt. Die nun präsentierte Gegenleistung dürfte die Basis befrieden.
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