■ Ökolumne
: Klimaschutz lohnt Von Klaus Rennings

Seit etwa fünf Jahren versuchen Ökonomen, die externen Kosten der Klimaänderung zu schätzen. Kosten einer globalen Erwärmung durch Deichbauten, Umsiedlungen, Ernteverluste oder zunehmende Malariaerkrankungen werden in diesen Bilanzen auf Heller und Pfennig bewertet. Solche Studien spielen bis heute in der internationalen Klimadiskussion eine gewichtige Rolle. Die einflußreichste, aber auch umstrittenste Arbeit stammt von dem Amerikaner William Nordhaus. Dieser kam bereits 1991 – vereinfacht ausgedrückt – zu dem Schluß, daß die Schäden einer Klimaänderung keine größeren Klimaschutzinvestitionen rechtfertigen, und empfahl daher, sich auf Maßnahmen zu beschränken, die ohnehin bereits betriebswirtschaftlich rentabel sind (wie z.B. Maßnahmen zur Wärmedämmung, die sich durchs Energieeinsparen amortisieren). Entsprechend sind die Studien zu den externen Kosten des Klimaschutzes heftig kritisiert worden. Sie zielen, so die Kritiker, an der ökologischen, ethischen und sozialen Dimension des Problems völlig vorbei. Gerechtigkeitsfragen und der Schutz unverzichtbarer Naturgüter würden völlig ausgeblendet. Dieser Kritik hat sich das IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) als internationale Einrichtung zur Koordination und Bewertung der Klimaforschung weitgehend angeschlossen. Vor allem an der Diskriminierung ärmerer Länder und künftiger Generationen nimmt das IPCC Anstoß. Denn Schäden gehen nur in der Höhe in die Bilanzen ein, in der sich eine Nachfrage zu ihrer Vermeidung messen läßt. Während beispielsweise in den Industrieländern ein hoher Aufwand zur Gesundheitsvor- und nachsorge betrieben wird, kann sich dies in ärmeren Ländern kaum jemand leisten. Folge: Ein Menschenleben in der Dritten Welt hat in den globalen Klimaschadensrechnungen statistisch rund ein Zehntel des Wertes wie ein Menschenleben hierzulande. Systematisch unterbewertet werden weit in der Zukunft liegende Schäden, weil sie gewöhnlich mit Zinssätzen von real 3 Prozent abdiskontiert werden. Folge: Von 80 Milliarden Dollar Schäden, die in 100 Jahren auftreten, bleiben heute 4 Milliarden übrig.

Berührt von der Kritik im IPCC-Prozeß haben der Brite Sam Fankhauser und der Niederländer Richard Tol, selbst Autoren einer umstrittenen Studie, ein neues Forschungsprogramm vorgelegt, das auch eine verbesserte Behandlung von Verteilungsfragen enthält. Eine Einkommensgewichtung bereinigt die Werte um die beschriebenen Einkommenseffekte, mit dem Ergebnis, daß Schäden an Wirtschaftsgütern, insbesondere aber Schäden an Leib und Leben in Industrieländern nicht mehr zählen als in Entwicklungsländern. Eine Lösung des Abzinsungsproblems, die mehr Gerechtigkeit gegenüber künftigen Generationen walten läßt, liegt in der sogenannten zeitvarianten Diskontierung. Nach diesem Verfahren werden langfristige Schäden lediglich mit der erwarteten Wachstumsrate des Sozialprodukts abgezinst, die in den meisten Szenarien zwischen ein und zwei Prozent liegt. Es ist leicht zu erkennen, daß beide Schritte erheblichen Einfluß auf die externen Kosten des Klimaschutzes und damit auf die Frage haben, in welcher Höhe sich Investitionen in den Klimaschutz ökonomisch legitimieren lassen. Der zweite IPCC-Bericht gibt die Bandbreite der Schätzungen von 5 bis 125 Dollar zusätzlicher Kosten pro Tonne Kohlenstoff an, wobei die untere Grenze aus den Arbeiten von Nordhaus stammt. In einem neueren Aufsatz haben die Schweden Christian Azar und Thomas Sterner nun die Werte von Nordhaus in ein Modell eingesetzt, das unter anderem eine Einkommensgewichtung sowie eine zeitvariante Diskontierung der Nordhaus-Werte vornimmt. Die Kosten steigen dadurch auf 260 bis 590 Dollar pro Tonne Kohlenstoff an, etwa das 50- bis 100fache der ursprünglichen Nordhaus-Werte. Das Ergebnis zeigt, daß externe Kosten sensibel auf Annahmen zur Verteilung reagieren. Es fällt auf, daß die Europäer, bei denen zunehmend Gerechtigkeitsfragen in die Kostenschätzungen einfließen, bei den laufenden Klimaverhandlungen ehrgeizigere CO2-Reduktionsziele vorgelegt haben, die sich mit ungeschönten Bilanzen auch leicht ökonomisch rechtfertigen lassen. Würden auch die Amerikaner ihre Rechnung entsprechend anpassen, könnte ein verbindlicher Fahrplan zu einer echten Minderung der Treibhausgase in greifbare Nähe rücken.