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Die Zeit der Langsamkeit beginnt

■ Heute nacht werden die Uhren zurückgestellt. Ein Gespräch mit Zeitforscher Peter Heintel

In der Nacht zum Sonntag um drei Uhr werden die Uhren eine Stunde zurückgestellt. Die Winterzeit beginnt. Was die Zeitumstellung für den Menschen bedeutet, dazu sprach die taz mit Peter Heintel, Professor für Philosophie und Zeitgeschichte an der Universität Klagenfurt in Österreich und Begründer von „Tempus“, einem „Verein zur Verzögerung der Zeit“.

taz: Heute nacht schlägt es um drei erst zwei. Erfreuen sich die Menschen an der geschenkten Stunde?

Peter Heintel: Es ist psychologisch schon merkwürdig, daß man diese Stunde, die man im Frühjahr geopfert hat, so klammheimlich in der Nacht wiederbekommt. Es wäre interessant, wenn man statt in der Nacht am Vormittag eine Stunde Auszeit machen würde, so daß man diese geschenkte Stunde bewußt erleben kann.

Wie soll das gehen?

Man könnte sich in den Unternehmen in dieser Stunde über die Zeitgestaltung unterhalten. Man könnte auch beobachten, was die Leute mit der Stunde machen, zum Beispiel, um sie gleich wieder aufzufüllen, damit es ja nicht eine Auszeit gibt.

Jetzt kommt die Winterzeit, was heißt das physiologisch für die Menschen?

Der alte römische Kalender hat Ende November mit der Zeitrechnung aufgehört und bis zum Ende Februar/Anfang März nicht gerechnet, da gab es gar nichts, da war ein Zeitloch. Man richtete sich eben nach der Natur. Anscheinend ist es so, daß es einen Jahresrhythmus der Eigenzeitlichkeit gibt auch beim Menschen, und der ist darauf ausgerichtet, daß im Winter auch durch bestimmte Tag- und Nachtrhythmen die ganze Geschichte langsamer läuft.

Zeitwahrnehmung hängt mit Lichtwahrnehmung zusammen?

Das würde ich behaupten.

Dann kann man im Winter die Verlangsamung erproben?

Beim Menschen ist es etwas anders. Wir nehmen den Winter kaum noch zur Kenntnis. Wir haben diese jahreszeitlichen Schwankungen ausgesetzt durch Heizungen, elektrisches Licht.

Was würden Sie raten, um die Zeit zu verlangsamen?

Ich würde überhaupt raten, daß man nur halb soviel arbeitet, weil es sowieso ausreichend wär'. Wir haben ja Millionen, die sehr viel Zeit haben und das als wertlos empfinden, die Arbeitslosen. Da muß man gegensteuern. Interview: Barbara Dribbusch

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