: Jagd nach Provisionen am Bankschalter
■ Sparkassenkunde wurde zu einer Versicherung überredet, als er einen höheren Dispo-Kredit wollte / Banken nutzen Policen als Kreditsicherheiten / Versicherungsgeschäft am Schalter blüht
Konto geplündert, Dispo überzogen: Wer in dieser Lage von seiner Bank einen höheren Dispositionskredit bekommen will, muß damit rechnen, gleich noch eine Lebens- oder Unfallversicherung unterschreiben zu müssen.
So erging es Ralf Schröder (Name geändert) bei seiner Sparkassenfiliale in Sebaldsbrück, bei der er nach längerer Arbeitslosigkeit ein Konto eröffnet hatte. „Normalerweise geben wir ja nach einem Monat noch keinen Dispo-Kredit“, hat der Kundenberater dem KfZ-Mechaniker nach dessen eigenen Angaben gesagt. Aber wenn er „als Gegenleistung“eine Unfallversicherung abschließe, könne man großzügig sein: „Eine Hand wäscht die andere“.
Der Kunde unterschrieb eine Police mit 30 Mark Monatsbeitrag. Der Kundenberater drückte beim überzogenen Konto ein Auge zu. „Das war aber kein offizieller Dispo“, beteuert der Sparkassen-Angestellte gegenüber der taz. Der Kunde habe im Bereich Unfallvorsorge noch Lücken gehabt.
Als Schröder, der seinen Job bei einer Zeitarbeitsfirma inzwischen verloren hatte, wenig später um einen neuen Kredit für die Miete nachsuchte, soll ihm der Berater eine Lebensversicherung zu 70 Mark Monatsbeitrag angedient haben. „Ich hatte ihm schon bei der Unfallversicherung gesagt, daß wir uns mal über seine Altersversorgung unterhalten sollten“, sagt der Berater. Schröder lehnte jedoch ab.
Ein Sparkassensprecher bestreitet, daß die Koppelung von Entgegenkommen beim Dispo und dem Kauf einer Versicherungspolice generelle Geschäftsstrategie sei. Allerdings würde die Höhe der teuren Dispositionskredite, die im vergangenen Jahr bei der Bremer Sparkasse um fast 10 Prozent zugelegt haben, direkt zwischen Kunden und Berater ausgemacht. Wenn dabei die Versicherungen ins Spiel gebracht worden seien, sei das ein Einzelfall.
Finanzexperten berichten jedoch, daß Banken zunehmend Versicherungspolicen als Sicherheit für kurzfristige Kredite heranziehen. Auch bei Dispo-Krediten oder Bausparverträgen „passiert das alle Nase lang“, sagt ein Bremer Finanzanwalt. Dabei handelt es sich jedoch meist um Risiko-Lebensversicherungen, mit denen sich die Bank gegen den Tod des Kreditnehmers absichert, nicht um Policen, bei denen die Kapitalanlage für das Alter im Vordergrund steht.
Wenn die Kunden aber keine Versicherung als Sicherheit vorweisen können, werden sie oft aufgefordert, eine abzuschließen. Das geschieht natürlich bei der Versicherungsgesellschaft, mit der die jeweilige Bank zusammenarbeitet. Die Banken kassieren Provision, die bei der Sparkasse zum Teil an die vermittelnden Mitarbeiter weitergereicht werden. Schröders Berater schließt nach eigenen Angaben zwei Verträge im Monat ab.
Bei der Bremer Sparkasse boomt das Geschäft mit Versicherungen, Bausparverträgen und anderen Finanzdienstleistungen, die aus einer Hand am Bankschalter verkauft werden. Das von der Bremer Sparkasse vermittelte Volumen an Lebensversicherungen der „neuen Leben“aus Hamburg stieg im Vorjahr um 20 Prozent auf 400 Millionen Mark. 2.674 mal setzten Kunden im Jahr 1996 ihre Unterschrift unter eine Unfallversicherung.
Anfechtbar seien solche Verträge nur dann, wenn bei der „Vertragsanbahnung“am Schalter nachweislich Druck ausgeübt werde, sagt der Finanzanwalt. „Die Kunden müsse ja nicht unterschreiben“, so der Sparkassen-Sprecher, „wir haben ja freie Bankenwahl.“
Viele Finanzberater halten Kapital-Lebensversicherungen, bei denen die Kunden 34 Jahre lang jeden Monat 100 Mark Beitrag zahlen, um 150.000 Mark herauszubekommen, für ein schlechtes Geschäft. Andere Geldanlagen seien lukrativer und gerade für junge Leute flexibler.
Joachim Fahrun / F.: N. Wolff
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